Coelho,Paul
wird nie
vergehen. Was vergehen wird, ist diese Vorstellung, dass die erklommenen Berge
zu niedrig sind. Ich werde meine Liebe für das, was ich errungen habe, am
Lodern halten. Das war es, was mein Meister mir zu sagen versuchte.«
>Vielleicht spricht er auch
über unsere Ehe<, dachte Chris.
Die Frau reichte Paulo die Hand.
»Mein Name ist M.«, sagte sie.
»Mein Name ist S.«, sagte Paulo.
Chris erschrak. Paulo hatte ihr
seinen Namen als Magier genannt. Nur sehr wenige Menschen kannten dieses
Geheimnis, denn die einzige Möglichkeit, einem Magier Schaden zuzufügen,
besteht darin, seinen Magiernamen zu benutzen. Deshalb durfte ihn nur jemand
vollkommen Vertrauenswürdiges erfahren.
Paulo war dieser Frau gerade erst
begegnet. Er konnte ihr doch nicht dermaßen vertrauen.
»Du kannst mich Vahalla nennen«, sagte die Rothaarige.
>Das erinnert an den Namen des
altnordischen Paradieses<, dachte Paulo, während er ihr auch seinen
Taufnamen sagte.
Die Rothaarige schien sich etwas
zu entspannen. Zum ersten Mal sah sie Chris an, die mit am Tisch saß.
»Um einen Engel zu sehen, braucht
es drei Dinge«, fuhr Vahalla fort, indem sie sich
wieder an Paulo wandte, als gäbe es Chris überhaupt nicht. »Und außer diesen
drei Dingen braucht es Mut. Den Mut einer Frau, den wahren Mut. Nicht den Mut
eines Mannes.«
Paulo tat so, als hätte er den
letzten Satz nicht gehört.
»Morgen werden wir in Tucson
sein«, sagte Vahalla . »Triff uns mittags, wenn dein
Ring echt ist.«
Paulo ging zum Wagen, holte die
Karte, und Vahalla zeigte ihm den genauen Treffpunkt.
Der Chinese stellte Eier, Speck und Toast auf den Tisch, und eine der Walküren
ermunterte Vahalla zu essen, das Frühstück werde
sonst kalt. Daraufhin kehrte die Rothaarige an ihren Platz am Tresen zurück und
bat den Chinesen, das Radio wieder anzustellen.
»Welches sind die drei
Voraussetzungen, um mit dem Engel zu sprechen?«, fragte Paulo noch.
»Einen Pakt brechen. Eine
Vergebung annehmen. Und eine Wette eingehen«, antwortete Vahalla .
S ie
schauten hinunter auf die Stadt. Zum ersten Mal in fast drei Wochen waren sie
in einem richtigen Hotel untergebracht - mit Zimmerservice, Bar und Frühstück
im Bett.
Es war sechs Uhr abends -
normalerweise übte Paulo sich um diese Zeit im Channeling ,
doch jetzt schlief er tief und fest.
Chris wusste, dass die Begegnung
am Morgen in der Tankstelle alles verändert hatte. Wenn sie mit ihrem eigenen
Engel sprechen wollte, war sie jetzt ganz auf sich gestellt.
Auf der Fahrt nach Tucson hatten
sie kaum miteinander gesprochen. Sie hatte Paulo nur gefragt, warum er seinen
Magiernamen genannt habe. Und er hatte gesagt, Vahalla habe ihren genannt, und als Zeichen seines Mutes und seines Vertrauens habe er
ihr seinen genannt - er habe doch nicht hinter ihr zurückstehen können.
Möglicherweise sagte er die
Wahrheit. Möglicherweise würde er heute Abend wieder mit ihr sprechen.
Sie war eine Frau, sie nahm Dinge
wahr, die Männer nicht wahrnahmen.
Sie ging hinunter zur Rezeption
und fragte nach einer Buchhandlung in der Nähe. Es gab keine. Man musste mit
dem Wagen zu einem Shopping-Center fahren.
Sie zögerte ein paar Minuten. Dann
ging sie wieder aufs Zimmer und nahm den Autoschlüssel. Sie waren in einer
großen Stadt. Wenn Paulo aufwachte, würde er denken, was alle Männer über
Frauen denken: dass sie shoppen gegangen sei.
Sie verirrte sich ein paarmal , fand aber schließlich ein riesiges
Shopping-Center (oder eine Mall, wie man in
Amerika sagte). In einem der Läden ließ sie einen Zweitschlüssel für den Wagen
anfertigen.
Sie wollte auch einen Schlüssel
haben. Nur aus Sicherheitsgründen.
Dann suchte sie nach einer
Buchhandlung. Beim Stöbern fand sie bald, was sie suchte:
walküren : Geisterwesen aus dem Gefolge
Wotans.
Sie hatte keine Ahnung, wer Wotan
war. Aber das war unwichtig.
Botinnen der Götter, geleiten die
Helden zum Tode - und anschließend ins Paradies.
Botinnen. Wie die Engel. Tod und
Paradies. Auch wie die Engel.
Sie geben den Kämpfenden Kraft
durch die Liebe, die ihr Zauber in deren Herzen auslöst. Sie treiben sie an
durch das Beispiel ihrer Kühnheit an der vordersten Front der Schlacht, wo sie
unter ohrenbetäubendem Lärm schnell wie die Wolken auf ihren Pferden dahinreiten .
Sie hätten keinen besseren Namen
auswählen können.
Sie symbolisieren zugleich den
Rausch, den Mut auslösen kann, die Zeit des Kraftschöpfens für den Krieger, das
Abenteuer der
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