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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schutzengel
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solchen Orten kann der Planet Erde allein sein, ohne dass
Millionen von Lebensformen auf seiner Oberfläche wandeln. Auch er braucht das
Alleinsein, denn er versucht, sich selber zu verstehen.«
    (Warum sage ich das? Er wird mich
für eine Angeberin halten. Ich bin bei Bewusstsein!)
    Paulo blickte sich um. Das
trockene Flussbett wirkte freundlich, sanft. Aber es flößte einem auch Angst
ein, Angst vor der vollkommenen Einsamkeit, dem vollkommenen Fehlen von Leben.
    »Ein Gebet«, stammelte Chris. Das
>zweite Bewusstsein< schaffte es jetzt nicht mehr, dass sie sich
lächerlich fühlte.
    Aber plötzlich hatte sie Angst.
Angst, das Gebet nicht zu kennen, nicht weiterzuwissen.
    Und als sie Angst hatte, kam das
>zweite Bewusstsein< zurück und mit ihm die Lächerlichkeit, die Scham,
die Sorge wegen Paulo. Schließlich war er der Hexer - er wusste mehr als sie
und hielt ihr Gebrabbel vermutlich für Hokuspokus.
    Sie atmete tief durch. Konzentrierte
sich auf die Gegenwart, auf die Erde, auf der nichts wuchs, und auf die Sonne,
die sich bereits verbarg. Ganz allmählich kehrte das Gefühl von Sicherheit
zurück - wie ein Wunder.
    »Ein Gebet!«, wiederholte sie.
     
    Und ein Echo wird deutlich am Himmel
erklingen
     wenn ich komme und lärme,
     
    Sie schwieg eine Weile, spürte,
dass sie leer und dass das Channeling beendet war.
Dann wandte sie sich Paulo zu.
    »Ich bin heute zu weit gegangen.
So ist es noch nie gewesen.«
    Paulo strich ihr übers Haar und küsste
sie. Sie wusste nicht, ob er es aus Mitleid tat oder weil er stolz auf sie war.
    »Lass uns gehen«, sagte er. »Lass
uns den Wunsch der Erde achten.«
    (Vielleicht sagt er das ja nur, um
mir Mut zu machen, mich weiter im Channeling zu
üben<, dachte sie. Aber sie hatte keinen Zweifel - etwas war geschehen. Sie
hatte das alles nicht erfunden.)
    »Das Gebet?«, fragte sie und
fürchtete sich vor der Antwort.
    »Das ist ein alter indianischer
Gesang. Von den Medizinmännern der Chippewa .«
    Sie war immer stolz auf die
Bildung ihres Mannes gewesen, obwohl er immer sagte, sie sei zu nichts nütze.
    »Wie kann so etwas geschehen?«
    Paulo erinnerte sich daran, wie
der Alchimist in seinem Buch über die Geheimnisse der Alchimie gesprochen
hatte: »Die Wolken sind Flüsse, die das Meer schon kennengelernt haben.« Aber er hatte keine Lust, es zu erklären. Er war angespannt,
verärgert, wusste nicht genau, was er noch in der Wüste machte. Schließlich
wusste er ja, wie er mit seinem Schutzengel sprechen konnte.
     
    H ast du den
Film Psycho gesehen?«,
fragte er Chris, als sie beim Wagen ankamen. Sie nickte.
    »Im Film stirbt die
Hauptdarstellerin schon nach fünfundvierzig Minuten unter der Dusche. In der
Wüste habe ich am dritten Tag herausgefunden, wie man mit den Engeln spricht.
Aber ich habe mir selber das Versprechen gegeben, vierzig Tage hierzubleiben , und kann es mir jetzt nicht einfach anders
überlegen.«
    »Aber da sind doch die Walküren!«
    »Die Walküren! Ich kann ohne sie
auskommen, verstehst du?«
    (>Er hat Angst, sie nicht zu
finden<, dachte Chris.)
    »Ich weiß, wie man mit den Engeln
spricht, das ist entscheidend!« Paulos Tonfall war aggressiv.
    »Darüber dachte ich gerade nach«,
entgegnete Chris. »Du weißt es, aber du willst es nicht
versuchen.«
    >Das ist mein Problem<,
sagte sich Paulo, während er den Wagen startete. >Ich brauche starke
Gefühle. Brauche Herausforderungen.<
    Er schaute Chris an. Sie las
zerstreut im Handbuch Überleben in der Wüste, das sie in
einem der Orte gekauft hatten, durch die sie gekommen waren.
    Er ließ den Wagen an. Dann fuhren
sie wieder über eine dieser langen, geraden Straßen, die kein Ende zu haben
schienen.
    >Das ist nicht nur ein Problem
der spirituellen Suche<, ging er weiter seinen Gedanken nach, während er
abwechselnd auf Chris und auf die Straße schaute. Er hatte die Ehe satt,
obwohl er wusste, dass er seine Frau liebte. Er brauchte starke Gefühle in der
Liebe, bei der Arbeit, bei fast allem, was er in seinem Leben tat. Damit
verstieß er gegen eines der wichtigsten Naturgesetze: Jede Bewegung braucht auch
Unterbrechungen.
    Er wusste, dass in seinem Leben
nichts lange halten würde, wenn er so weitermachte. Er begann zu begreifen, was
J. damit sagen wollte, als er meinte: »Wir zerstören, was wir am meisten
lieben.«
     
    Z wei Tage
später kamen sie nach Gringo Pass, einen Ort, der nur
aus einem Motel, einem kleinen Supermarkt und dem Zollgebäude bestand. Die
Grenze zu Mexiko lag nur wenige

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