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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schutzengel
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begonnen«, fuhr Chris fort. »Ich weiß, dass ich es kann, und das
reicht.«
    Paulo konnte es nicht glauben.
Doch Vahalla wusste, dass es stimmte. Sie hatte es in
Chris' Augen gelesen, als sie draußen gewesen waren. Dennoch hatte sie Chris'
Mut auf die Probe stellen müssen. Das erforderte die >Tradition<.
    »Ist in Ordnung«, sagte die
Walküre.
    Damit schaltete sie die Taschenlampe
aus. Und es herrschte vollkommene Dunkelheit.
    »Häng dir das Medaillon um den
Hals!«, forderte sie Paulo auf. »Und halte es in den gefalteten Händen!«
    Paulo gehorchte. Er hatte Angst
vor dieser vollkommenen Dunkelheit. Sie erinnerte ihn an Dinge, an die er sich
nicht erinnern wollte.
    Er spürte, wie sich Vahalla von hinten näherte. Ihre Hände berührten ihn am
Kopf.
    Die Dunkelheit war kompakt. Kein
einziger Lichtstrahl drang bis hierher.
    Vahalla begann,
ein Gebet in einer fremdartigen Sprache zu sprechen. Anfangs versuchte Paulo
noch herauszufinden, was sie sagte. Dann spürte er, während ihre Hände über
seinen Kopf strichen, wie das Medaillon immer heißer wurde. Er konzentrierte
sich ganz auf die Hitze in seinen Händen.
    Die Dunkelheit veränderte sich.
Verschiedene Szenen aus seinem Leben spielten sich vor ihm ab. Licht und
Schatten, Licht und Schatten - und plötzlich herrschte wieder nur noch
Dunkelheit.
    »Ich möchte mich nicht daran
erinnern«, bat er die Walküre.
    »Erinnere dich! Was auch immer es
ist, versuche, dich an jede Minute zu erinnern!«
    Die Dunkelheit zeigte ihm das
Grauen. Das Grauen, das vor vierzehn Jahren geschehen war.
     
    Auf dem Früh Stückstisch lag ein Zettel: »Ich liebe dich. Bin gleich wieder da.« Darunter hatte
sie das vollständige Datum notiert: 25. März 1914.
    Merkwürdig. Einen Liebesgruß zu
datieren.
    Als er aufwachte, war ihm etwas
schwindlig gewesen. Er hatte noch unter der Wirkung seines Traums gestanden, in
dem ihm zu seiner Überraschung der Direktor der Plattenfirma eine Arbeitsstelle
angeboten hatte. Er brauchte die Anstellung nicht: Der Direktor der Firma war
sein Angestellter - seiner und der seines Partners. Die Platten, die sie produzierten,
standen an der Spitze der Charts, verkauften sich tausendfach, und aus allen Ecken
Brasiliens kamen Briefe. Die Leute wollten wissen, was die > Sociedade Alternativa < war.
    >Man braucht doch nur auf die
Songtexte zu achten<, hatte er damals gedacht. Es war nicht die Musik - es
war das Mantra eines magischen Rituals, bei dem die
Worte des »Tiers der Apokalypse« leise im Hintergrund verlesen wurden. Wer
diesen Song sang, würde die Kräfte der Finsternis anrufen. Und alle sangen ihn.
    Er und sein Partner hatten alles
schon vorbereitet. Das mit den Autorenrechten verdiente Geld sollte in den Kauf
eines Grundstücks in der Nähe von Rio de Janeiro investiert werden. Dort
würden sie hinter dem Rücken des Militärregimes wiedererschaffen, was das
»Große Tier« in Cefalú auf Sizilien schon einmal
aufzubauen versucht hatte. Das »Große Tier« - als das hatte sich der Okkultist Aleister Crowley selber
bezeichnet - war damals von den italienischen Behörden ausgewiesen worden. Es
hatte sich in vielen Punkten geirrt - es hatte nicht genügend Schüler gefunden,
wusste nicht, wie man Geld verdiente. Es hatte allen verkündet, seine Zahl sei
die 666, es werde eine Welt schaffen, in der die Schwachen den Starken dienten
und in der das einzige Gesetz sei zu tun, wozu man Lust hatte. Aber es hatte es
nicht geschafft, seine Vorstellungen zu verbreiten - nur wenige Menschen hatten
seine Worte ernst genommen.
    Bei ihm selber und seinem Partner
- Raul Seixas -, bei ihnen war das ganz anders
gewesen! Raul sang, und das gesamte Land hörte zu. Sie waren junge Leute, und
sie verdienten viel Geld. Brasilien lebte zwar unter einer Militärdiktatur,
aber die Regierung war vor allem wegen der Guerrilleros in Sorge. Mit einem Rocksänger gaben sie sich nicht ab. Ganz im Gegenteil, die
Behörden fanden, dass dessen Musik die jungen Leute vom Kommunismus fernhielt.
    Er trank seinen Kaffee und ging
ans Fenster. Er würde einen Spaziergang machen und sich dann mit seinem Partner
treffen. Es war ihm gleichgültig, dass ihn niemand kannte und sein Freund
berühmt war. Entscheidend war, dass er Geld verdiente, das ihm erlaubte, seine
Vorstellungen zu verwirklichen. Die Leute aus der Musikszene, die Leute aus der
Magierszene - ja, die wussten das! Beim großen Publikum unbekannt zu sein
hatte sogar etwas für sich - mehr als einmal hatte er deswegen das

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