Coetzee, J. M.
du da
versteckt hast.«
Er
schüttelte den Kopf.
Ich sah mir
die Wand genauer an. Im Mauerwerk war eine Aussparung, die der Belüftung
diente; durch dieses Loch konnte man unter die Fußbodenbretter greifen.
»Steckst du da irgendwas
unter den Fußboden?«
»Ich tu gar
nichts.«
Ich wählte die
Telefonnummer, die Florence dagelassen hatte. Ein Kind antwortete. »Kann ich
Mrs. Mkubukeli sprechen?« sagte ich. Schweigen. »Mrs. Mkubukeli, Florence.«
»Die ist nicht da.«
»Hier ist Mrs. Curren«,
sagte ich. »Mrs. Mkubukeli hat mal für mich gearbeitet. Ich ruf an wegen dem
Freund ihres Sohnes, dem Jungen, der sich John nennt, seinen richtigen Namen
weiß ich nicht. Es ist wichtig. Wenn Florence nicht da ist, kann ich dann mit
Mr. Thabane sprechen?«
Wieder ein
langes Schweigen. Dann eine Männerstimme: »Ja, hier ist Thabane.«
»Hier ist
Mrs. Curren. Sie erinnern sich, wir haben uns gesehn. Ich rufe wegen Bhekis
Freund an, seinem Schulfreund. Sie wissen es vielleicht nicht, aber er ist im
Krankenhaus gewesen.«
»Ich weiß.«
»Jetzt ist er raus aus dem
Krankenhaus, oder fortgelaufen, und ist hier. Ich habe Grund zu der Annahme,
daß er irgendeine Waffe hat, was genau, weiß ich nicht, die er und Bheki in
Florences Zimmer versteckt haben müssen. Ich glaube, daß er deswegen hierher
zurückgekommen ist.«
»Ja«, sagte er
ausdruckslos.
»Mr.
Thabane, ich bitte Sie nicht, Einfluß auf den Jungen zu nehmen. Aber es geht
ihm nicht gut. Er hat schwere Verletzungen gehabt. Und ich glaube, er ist in
einem emotional verwirrten Zustand. Ich weiß nicht, wie ich seine Familie
erreichen kann, ich weiß nicht einmal, ob er in Kapstadt überhaupt Verwandte
hat. Er will es mir nicht sagen. Worum ich Sie bitte, ist lediglich, daß jemand
herkommt und mit ihm spricht, jemand, zu dem er Vertrauen hat und der ihn
mitnimmt, bevor ihm etwas zustößt.«
»In einem emotional
verwirrten Zustand. Was meinen Sie damit?«
»Ich meine
damit, daß er Hilfe braucht. Ich meine, daß er vielleicht nicht verantwortlich
ist für seine Handlungen. Ich meine, er ist schwer angeschlagen, mit dem Kopf.
Ich meine, ich kann mich nicht um ihn kümmern, das übersteigt meine
Fähigkeiten. Es muß jemand kommen.«
»Ich werd
sehn.«
»Nein, das
reicht nicht. Ich will eine feste Zusage.«
»Ich werde
wen bitten, daß er ihn abholt. Aber ich kann nicht sagen, wann.«
»Heute?«
»Kann ich nicht sagen,
heute. Vielleicht heute, vielleicht morgen. Ich werd sehn.«
»Mr. Thabane, nur damit das
klar ist: Ich versuche nicht, diesem Jungen oder sonst irgendwem
vorzuschreiben, was er mit seinem Leben tun soll. Er ist alt genug und
eigenwillig genug, um zu tun, was er will. Was aber dieses Töten betrifft,
diesen Aderlaß im Namen der Kameradschaft, so ist mir das aus tiefster
Seele zuwider. Ich finde es barbarisch. Das ist es, was ich sagen will.«
»Die Verbindung ist sehr
schlecht, Mrs. Curren. Ihre Stimme ist winzig und sehr weit weg. Ich hoffe, Sie
können mich verstehn.«
»Ich kann Sie verstehn.«
»Gut. Dann
lassen Sie mich sagen, Mrs. Curren, ich glaube nicht, daß Sie sehr viel
verstehn von Kameradschaft.«
»Ich versteh genug davon,
danke.«
»Nein, das
tun Sie nicht«, sagte er sehr selbstsicher. »Wenn Sie wie diese jungen Leute
mit Leib und Seele im Kampf stehn, wenn Sie bereit sind, ohne Frage Ihr Leben
für den andern hinzugeben, dann entsteht ein Band, wie Sie kein stärkeres mehr
kennenlernen werden. Das ist Kameradschaft. Ich sehe sie jeden Tag. Meine
Generation hat nichts Vergleichbares. Das ist der Grund, warum wir hinter sie
zurücktreten müssen. Wir treten zurück, aber wir stehn hinter ihnen. Das ist
es, was Sie nicht verstehn können, weil Sie zu weit weg sind.«
»Ja, ich
bin weit weg«, sagte ich, »weit weg und winzig. Trotzdem, ich weiß leider nur
zu gut, was Kameradschaft ist. Die Deutschen hatten Kameradschaft und die
Japaner und die Spartaner. Shakas Impis auch, da bin ich sicher. Kameradschaft
ist nichts als eine Mystifizierung des Todes, des Tötens und Sterbens, maskiert
als das, was Sie ein Band nennen. (Was für ein Band? Der Liebe? Das bezweifele
ich.) Ich habe keine Sympathie für diese Kameradschaft. Sie irren sich, Sie und
Florence und jeder andere, der sich von ihr einnehmen läßt und, schlimmer, sie
in Kindern bestärkt. Sie ist bloß eine weitere von diesen eisigen,
ausschließenden, todessüchtigen männlichen Konstruktionen. Das ist meine
Meinung.«
Es ging noch mehr zwischen
uns hin und
Weitere Kostenlose Bücher