Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coetzee, J. M.

Coetzee, J. M.

Titel: Coetzee, J. M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eiserne Zeit
Vom Netzwerk:
sich drückend. »Sagen Sie ihm, er soll
rauskommen«, sagte er. Wütend fuhr ich ihn an: »Gehn Sie weg!« schrie ich ihn
an und bekam einen Hustenanfall.
    Die Sonne
kam hoch, rosig, in einem Himmel voller treibender Wolken.
    »John!« rief ich zwischen
Hustenstößen. »Komm raus! Ich paß auf, daß sie dir nichts tun.«
    Jetzt war
der Mann in dem Pullover an meiner Seite. »Sagen Sie ihm, er soll seine Waffen
rausgeben.«
    »Erst versprechen Sie, daß
Sie ihn nicht verletzen.«
    Seine
Finger schlossen sich um meinen Arm. Ich wehrte mich, aber er war zu stark.
»Sie werden sich eine Lungenentzündung holen hier draußen«, sagte er. Etwas
senkte sich von hinten auf mich: eine Jacke, ein Mantel, einer der
Polizistenmäntel. »Neem har binne«, murmelte er. Sie führten mich zurück
in die Küche und machten die Tür hinter mir zu.
    Ich setzte
mich, stand wieder auf. Der Mantel stank nach Zigarettenrauch. Ich ließ ihn auf
den Fußboden fallen und öffnete die Tür. Meine Füße waren blau vor Kälte.
»John!« rief ich. Die drei Männer waren über ein Sprechfunkgerät gebeugt.
Derjenige, der mir seinen Mantel gegeben hatte, drehte sich mit verärgertem
Gesicht nach mir um. »Lady, es ist gefährlich hier draußen«, sagte er. Er
beförderte mich wieder nach drinnen, konnte dann aber den Schlüssel nicht
finden, um die Tür abzuschließen.
    »Er ist noch ein Kind«,
sagte ich.
    »Lassen Sie
uns nur unsere Arbeit tun, Lady«, erwiderte er.
    »Ich schau Ihnen zu«, sagte
ich. »Ich schau Ihnen auf die Finger. Ich sag Ihnen, er ist noch ein Kind!«
    Er holte
Luft, als wollte er etwas antworten, ließ sie dann in einem Seufzer hinaus und
wartete, daß ich mich aussprechen würde. Ein junger Mann, kräftig, grobknochig.
Sohn von jemandem, Cousin von vielen. Viele Cousins, viele Tanten und Onkel,
Großtanten und Großonkel, die ihn umstehen, hinter ihm stehen, über ihm stehen
wie ein Chor, führend, ermahnend.
    Was konnte ich sagen? Was
hatten wir gemein, um Gedankenaustausch zu ermöglichen, außer daß er hier war,
um mich zu verteidigen, um, in einem weiteren Sinne, meine Interessen zu
verteidigen?
    »Ek staan nie aanjou
kant nie«, sagte ich. »Ek staan an
die teenkant.« Ich stehe auf der anderen Seite. Aber auch auf dem anderen
Ufer, dem anderen Ufer des Flusses. Auf dem Ufer gegenüber, zurückblickend.
    Er drehte
sich um, inspizierte den Herd, das Spülbecken, die Regale und hielt so die
ou dame beschäftigt, während draußen seine Freunde ihre Sache machten.
Alles an einem Arbeitstag.
    »Das ist alles«, sagte ich.
»Ich bin fertig. Ich hab sowieso nicht zu Ihnen gesprochen.«
    Zu wem dann? Zu Dir: immer
zu Dir. Wie ich lebe, wie ich lebte: meine Geschichte.
    Es
klingelte an der Tür. Noch mehr Männer, Männer in Stiefeln und in Tarnuniform,
mit Baretts auf, die durch das Haus trampelten. Sie drängten sich vor dem
Küchenfenster. »Hy sit daar in die buitekamer«, erklärte der Polizist
und zeigte zu Florences Zimmer hin. »Daars net die een deur en die een
venster.«
    »Nee,
dan het ons hom«, sagte einer von den
Neuangekommenen.
    »Ich warne
Sie, ich sehe alles, was Sie tun«, sagte ich.
    Er wandte sich mir zu.
»Kennen Sie diesen Jungen?« sagte er.
    »Ja, den kenn ich.«
    »Wußten
Sie, daß er Waffen hat?«
    Ich zuckte die Achseln. »Gott
schütze die Unbewaffneten in diesen Zeiten.«
    Jemand anderer kam herein,
eine junge Frau in Uniform, mit frischem, sauberem Äußeren. »Is dit die dame
die?« sagte sie; und dann zu mir: »Wir werden hier ein Weilchen
verschwinden, bis diese Sache vorbei ist. Gibt es irgendwen, wo Sie hin
möchten, Freunde, Verwandte?«
    »Ich geh
nicht weg. Das hier ist mein Haus.«
    Ihre Freundlichkeit, ihre
Fürsorglichkeit war unerschütterlich. »Ich weiß«, sagte sie, »aber es ist zu
gefährlich hierzubleiben. Wir müssen Sie bitten, sich für kurze Zeit zu
entfernen, es ist ja nicht für lange.«
    Die Männer
an dem Fenster hatten jetzt aufgehört zu sprechen: sie wollten mich weghaben. »Bei
die ambulans«, sagte einer von ihnen. »Ag, sy kan sommer by die stasie
wag«, sagte die Frau. Sie wandte sich mir zu. »Kommen Sie jetzt, Mrs…« Sie
wartete darauf, daß ich den Namen ergänzte. Das tat ich nicht. »Eine schöne
warme Tasse Tee«, bot sie an.
    »Ich gehe
nicht.«
    Sie zollten
meinen Worten nicht mehr Achtung als denen eines Kindes. »Gaan han kombers«, sagte der Mann – »sy’s amper blou van die koue.«
    Die Frau
ging nach oben und kam mit der Steppdecke von

Weitere Kostenlose Bücher