Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coetzee, J. M.

Coetzee, J. M.

Titel: Coetzee, J. M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eiserne Zeit
Vom Netzwerk:
wissen Sie, wie diese
Waffen in ihre Hände gekommen sind?«
    »Was für Waffen?«
    »Eine Pistole. Drei
Sprengkörper.«
    »Ich weiß
nichts von Sprengkörpern. Ich weiß nicht, was ein Sprengkörper ist. Die Pistole
war meine.«
    »Haben sie sie Ihnen
abgenommen?«
    »Ich hab
sie ihnen geliehen. Nicht ihnen. Dem Jungen, John.«
    »Sie haben ihm die Pistole
geliehen? Hat die Pistole Ihnen gehört?«
    »Ja.«
    »Warum
haben Sie ihm die Pistole geliehen?«
    »Damit er
sich verteidigen kann.«
    »Gegen wen
verteidigen kann, Mrs. Curren?«
    »Gegen
Angriff.«
    »Und was für eine Pistole
war das, Mrs. Curren? Können Sie mir den Waffenschein dafür zeigen?«
    »Ich kenn mich nicht aus
mit Pistolenfabrikaten. Ich hab sie schon lange, lange vor der Zeit, seit es
all dies Getue wegen Waffenscheinen gibt.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie
sie ihm gegeben haben? Sie wissen, daß das eine strafbare Handlung ist, wovon
wir sprechen.«
    Die Pillen fingen an zu
wirken. Der Schmerz in meinem Rücken entfernte sich langsam, meine Glieder
entspannten sich, der Horizont begann sich wieder zu weiten.
    »Wollen Sie wirklich
weitermachen mit diesem Unsinn?« Ich legte mich auf das Kissen zurück und
schloß die Augen. Der Kopf drehte sich mir. »Das sind tote Menschen, wovon wir
sprechen. Es gibt nichts mehr, was Sie ihnen antun können. Sie sind in
Sicherheit. Sie haben die Hinrichtung gehabt, warum also noch eine
Untersuchung? Warum den Fall nicht einfach abschließen?«
    Er nahm den
Recorder auf, fummelte daran herum, legte ihn wieder auf das Kissen. »Nur zur
Kontrolle«, sagte er.
    Mit einem
kraftlosen Arm wischte ich den Recorder weg. Er fing ihn auf, bevor er auf den
Boden schlug.
    »Sie haben
meine privaten Papiere durchgesehn«, sagte ich. »Sie haben Bücher mitgenommen,
die mir gehören. Ich will sie zurück. Alle meine Dinge. Sie gehn Sie nichts
an.«
    »Wir werden Ihre Bücher
nicht fressen, Mrs. Curren. Sie werden am Ende alles zurückbekommen.«
    »Ich will keine Dinge am
Ende zurückbekommen. Ich will sie jetzt zurückbekommen. Es sind meine. Sie sind
privat.«
    Er
schüttelte den Kopf. »Das ist nicht privat, Mrs. Curren. Und das wissen Sie.
Nichts ist mehr privat.«
    Die
Kraftlosigkeit überkam jetzt auch meine Zunge. »Verlassen Sie mich«, sagte ich
matt.
    »Nur noch
ein paar Fragen. Wo waren Sie letzte Nacht?«
    »Bei Mr. Vercueil.«
    »Ist das da
Mr. Vercueil?«
    Es war zu mühsam, die Augen
zu öffnen. »Ja«, murmelte ich.
    »Wer ist Mr. Vercueil?« Und
dann, in einem ganz anderen Ton: »Wie is jy?«
    »Mr.
Vercueil kümmert sich um mich. Mr. Vercueil ist meine rechte Hand. Kommen Sie
her, Mr. Vercueil.«
    Ich
streckte die Hand aus und fand Vercueils Hosenbein, dann seine Hand, die schlimme
Hand mit den verkrümmten Fingern. Mit dem tauben, klauenartigen Griff der Alten
hielt ich mich an ihr fest.
    »In Godsnaam«, sagte der Kriminalbeamte von irgendwo weit weg. In
Gottes Namen: lediglich ein Wettern, oder ein Fluch auf uns beide? Mein Griff
löste sich, ich begann wegzusinken.
    Ein Wort erschien vor mir:
Thabanchu, Thaba Nchu. Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Neun Buchstaben.
Ein Anagramm für was? Mit einer großen Anstrengung setzte ich das b an
die erste Stelle. Dann war ich weg.
    Ich erwachte
durstig, groggy, voller Schmerz. Das Zifferblatt der Uhr starrte mich an, aber
ich wurde nicht schlau aus den Zeigern. Das Haus war still. Die Stille
verlassener Häuser.
    Thabanchu: Banch? Bath? Mit
dummen Händen wickelte ich mich aus der Decke. Hatte ich ein Bad nötig?
    Aber meine
Füße brachten mich nicht ins Badezimmer. Am Geländer mich festhaltend, über es
gebeugt, ächzend ging ich nach unten und wählte den Anschluß in Guguletu. Es
klingelte und klingelte. Dann nahm endlich jemand ab, ein Kind, ein Mädchen.
»Ist Mr. Thabane da?« fragte ich. »Nein.«
    »Kann ich
dann mit Mrs. Mkubuleki sprechen – nein, nicht Mrs. Mkubuleki, Mrs. Mkubukeli?«
    »Mrs.
Mkubukeli wohnt nicht hier.«
    »Aber
kennst du Mrs. Mkubukeli?«
    »Ja.«
    »Wer bist
du?«
    »Ich bin
Lily.« Lii-lii. »Bist du allein zu Hause?«
    »Meine
Schwester ist noch hier.«
    »Wie alt
ist deine Schwester?«
    »Die ist
sechs.«
    »Und du –
wie alt bist du?«
    »Zehn.«
    »Kannst du
Mrs. Mkubukeli etwas ausrichten, Lily?«
    »Ja.«
    »Es handelt
sich um ihren Bruder, Mr. Thabane. Sie muß Mr. Thabane sagen, daß er vorsichtig
sein soll. Mein Name ist Mrs. Curren. Kannst du das aufschreiben? Und dies ist
meine Nummer.« Ich sagte ihr die

Weitere Kostenlose Bücher