Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
Vom Netzwerk:
der mir noch fehlte. Bisher war alles nicht mehr als eine – wenn auch logische – Schlussfolgerung. Der können sich Gerichte anschließen oder auch nicht. Diese Nummer hier auf dem Handy eines in den Entführungsfall verstrickten Auftragskillers engt den Spielraum der Gerichte dramatisch ein. Jetzt schnappen wir uns das Schwein!“
     
    30. Tag
     
    Pohl stellte die entkorkte Flasche eines zwölf Jahre alten Medoc auf die Anrichte, dies mit auffälliger Vorsicht, als handele es sich um eine schützenswerte Kostbarkeit. Die zweite Flasche hatte er vorsorglich als Reserve neben die Anrichte gestellt. Mit Schöller wurden in der Regel die Nächte lang. Er schaute auf die Uhr, schüttelte ungläubig den Kopf. Der Haupt-kommissar, sonst ein Garant der Pünktlichkeit, war mehr als eine Viertelstunde überfällig. Seit dessen Anruf fragte sich Pohl nach dem tatsächlichen Anlass des Besuches. ‚Ich hab‘ etwas für Sie. Es wird Ihnen helfen, Ihre Situation einzuschätzen.‘ Eine rätselhafte Bemerkung. Seither vermochte Pohl nicht, das mulmige Gefühl in der Magengegend zu verdrängen. Am Tage zuvor auf der Sassnitzer Mole schien es, als wollte Schöller gemeinsam mit ihm Frust und Strapazen der zurückliegenden Wochen in Rotwein ersäufen und natürlich die Euphorie aufgrund der geglückten Befreiung der Kinder kosten. Doch diese Bemerkung vorhin am Telefon schien Pohl verdammt hintergründig. ‚Es wird Ihnen helfen, Ihre Situation einzuschätzen.‘ Was mochte Schöller damit gemeint haben? Pohl spürte die wachsende Unruhe, dies umso hartnäckiger, je mehr er sich bemühte, sie zu ignorieren. Er schien fast erleichtert, als es an der Haustür klingelte. Na endlich! Das musste Schöller sein. Er eilte zum Eingang.
    „Hallo! Schön, dass Sie so rasch vorbeischauen, Herr Schöller!“ Pohl trat einen Schritt zur Seite. „Kommen Sie ‘rein!“
    Schöller folgte der Aufforderung mit gewinnendem Lächeln, blieb im Windfang unvermittelt stehen. „Sorry, bin zu spät. Verlässt man sich einmal auf ein Taxi! Aber prima, dass es tatsächlich auf Zuruf geklappt hat, Professor. Ich war mir nicht sicher, denn sicherlich müssen Sie sich um die Mädchen kümmern.“
    „Sie wurden bis zu den Ferien vom Unterricht befreit. Ich hab‘ sie nach Wuppertal zu ihren Paten gebracht. Sie sind unheimlich gerne dort. Die haben Pferde, mehr muss ich nicht sagen.“
    Schöllers Augenbrauen schossen in die Höhe. „Gab es Probleme?“
    „Das kann man wohl sagen. Die Mädchen schaffen es nicht, die Treppe nach oben zu gehen. Sie haben vergangene Nacht im Wohnzimmer geschlafen, sich im Waschbecken der Gästetoilette gewaschen. Sie sind traumatisiert. Ich werde das Haus verkaufen, es fällt mir nicht schwer. Überall stoße ich auf Rebeccas Spuren. Haare in ihrem Kamm, der angebissene Müsliriegel in der Küche, ihre letzte Telefonnotiz – die simpelsten Dinge bekommen plötzlich eine ungeahnte Bedeutung. Das reißt Löcher in die Seele, verdammt tiefe Löcher.“
    „Verstehe. Wissen Sie schon, wo Sie hinziehen werden?“
    „Keine Ahnung. Hauptsache, fort von hier.“
    „Wenn Sie Hilfe benötigen, Anruf genügt. Ich helf‘ beim Packen, Tragen, Möbelrücken. Ich hab‘ ab sofort jede Menge Zeit.“
    Pohl sah ihn überrascht an. Stand das etwa hinter Schöllers sonderbarer Bemerkung? Ach Quatsch, das gab keinen Sinn! „Wie darf ich das verstehen?“
    „Erklär ich Ihnen später. Gehen wir ‘rein?“
    Er hielt Pohl eine mit pastellfarbenem Weinlaub bedruckte Tragetasche entgegen, die ihren Inhalt ohne Umschweife preisgab – eine Flasche Wein. Irritiert griff Pohl nach dem unerwarteten Präsent, doch dann sah er es pragmatisch: würden es halt drei Flaschen werden. „Das wäre doch nicht nötig gewesen! Ich hab‘ uns gerade einen französischen Roten geöffnet. Nun kommen Sie schon!“ Er wies durch die Diele auf die weit geöffnete Doppeltür, die den Blick in die Tiefe des Wohnzimmers, von dort in einen Teil des kunstvoll illuminierten Gartens preisgab.
    Schöller schlängelte sich lächelnd an ihm vorbei. „Wer weiß, vielleicht ist eine zweite Flasche gar nicht so schlecht.“ Er ließ den Blick durch das Wohnzimmer schweifen, registrierte, dass es einen Tick zu aufgeräumt, fast schon steril schien. „Ihre Töchter fehlen Ihnen nicht?“
    Pohl sah ihn erschrocken an. „Wie kommen Sie denn darauf? Und ob die mir fehlen! Doch es ist für sie das Beste. Ich sagte es eben: Das Haus erinnert überall an ihre Mutter. Sie wurde

Weitere Kostenlose Bücher