COLLECTION BACCARA Band 0259
waren noch rot vom Weinen, aber bis sie zu Hause waren, hatte sie sich beruhigt. Rebecca und Luke setzten sich auf die Stufen zur Küche, während sie zu ihrer Sandkiste lief.
„Eine solche Standpauke habe ich nicht mehr bekommen, seit ich acht war“, erklärte Luke düster.
„Oje. Worum ging es denn?“
„Um meine Sprache, meine Art zu leben, meine Lebenseinstellung. Suchen Sie sich etwas aus.“
Du kannst nicht einfach so tun, als würdest du andere Leute nicht beeinflussen und nicht von ihnen beeinflusst werden, Luke Chandler. Deine Vogel-Strauß-Politik nützt dir gar nichts.
„Aber warum auf einmal? Sie waren doch immer so, oder nicht?“
„So unausstehlich?“
„Sie wissen sehr gut, dass ich es nicht so gemeint habe. Während Ihrer Unterredung mit Fran hat Emily mir erzählt, dass Jasons Mutter offenbar nicht will, dass sie weiter in die Spielgruppe geht. Können Sie sich einen Reim darauf machen?“
„Willa Arnold ist eine von Helens Busenfreundinnen. Fran sagt, dass Emily in der Gruppe ausplappert, was sie von mir aufgeschnappt hat. Und Jason erzählt es dann zu Hause.“
„Ach, du lieber Himmel. Und was wollen Sie jetzt tun?“
„Nichts.“ Sein Entschluss hatte sofort festgestanden. „Emily bleibt zu Hause.“
„Und die Spielgruppe?“
„Das überlasse ich Marti. Wenn sie meint, kann sie ja darum betteln, dass Emily wieder aufgenommen wird.“
Eine Entschuldigung könnte einiges bewirken, Luke.
„Die Gruppe bietet Emily aber Stabilität, solange Marti weg ist. Die anderen Kinder werden ihr fehlen.“
„Es ist ja nur vorübergehend.“
Hoffentlich, dachte Rebecca. „Falls ich helfen kann …“
„Nein, danke. Nett, dass Sie mitgekommen sind.“ Rebeccas Wangen röteten sich, und er hätte sie am liebsten gestreichelt. Stattdessen stand er auf. „Sie haben sicher noch jede Menge zu tun. Und ich mache mich auch wieder an die Arbeit.“
Er sah sie nicht direkt an, aber er spürte, dass sie zusammenzuckte. Frans Worte fielen ihm ein: Du hast die Macht, andere Menschen zu verletzen, ob du willst oder nicht.
Dieses Mal hatte er es absichtlich getan. Lieber jetzt ein kleiner Schmerz als später der große Katzenjammer.
„Ja, natürlich. Ich wollte Sie nicht aufhalten.“
„Kein Problem.“
Rebecca sprang förmlich auf, stieg in ihren Wagen und brauste davon.
Luke sah ihr nach, bis die Staubwolke sich gelegt hatte. „Emily Susland“, verkündete er dann. „Wir beide haben einiges zu klären.“
Rebecca hatte Annalees Tagebuch zu Ende gelesen und dann zwei Stunden damit verbracht, die Einträge mit der Familienchronik zu vergleichen, die sie in Martis Umschlag gefunden hatte.
Sie hatte tagelang und auch heute im Fort Big Horn gearbeitet und später dann noch in der Bibliothek. Aber jetzt war die Bibliothek geschlossen.
Das warf sie auf sich selbst zurück. Annalees Sorgen hatten ihre eigenen wieder etwas relativiert. Gut, Luke war in den vergangenen Tagen ziemlich unzugänglich gewesen, und sie gingen fast wie zwei Fremde miteinander um. Es war ja auch nichts zwischen ihnen gewesen, nichts Ernstes jedenfalls – wenn man von ihrer Sehnsucht absah. Sein abwehrendes Verhalten hinderte ihr Herz jedenfalls nicht daran, einen Schlag auszusetzen, wann immer sie ihn sah, und sich nach seiner Berührung zu sehnen.
Aber was war das alles gegen Annalees Schicksal? Ihr erster Sohn hatte eine Diphtherieerkrankung nicht überlebt, ein weiteres Kind wurde tot geboren. Drei Kinder waren ihr geblieben, aber dann war ihre Tochter im Kindbett gestorben, und ihr Sohn war von einem Bankräuber erschossen worden. Der nächsten Generation war es nicht besser ergangen.
Rebecca konnte sich gut vorstellen, wie die Legende vom Familienfluch entstanden war. Die Suslands hatten großen materiellen Erfolg, aber privates Glück war ihnen nicht vergönnt gewesen.
Seufzend nahm Rebecca das letzte Papierbündel in Angriff, zusammengeheftet wie alle anderen und ohne Titel, und fing an zu lesen.
Luke döste vor dem Fernseher, als ihn das Bellen der Hunde weckte. Ein Auto fuhr vor, und aus dem Bellen wurde freudiges Jaulen.
Er öffnete die Tür und sah sich Rebecca gegenüber. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. „Was zum Teufel …“
Vier Tage und Nächte hatte er sich eingeimpft, wie wichtig es sei, sie auf Abstand zu halten. Doch dieser Vorsatz hatte leider nichts an seinen wilden erotischen Träumen ändern können.
„Schön, dass ich Sie hier antreffe. Ich dachte, Sie sind vielleicht im
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