Collection Baccara Band 0282
Ich bezweifle, dass man sich in einem so riesigen Gebäude je zu Hause fühlen kann.“
„Eine diplomatische Antwort“, erwiderte der König amüsiert. „Sagen Sie, wo sind Sie aufgewachsen?“
„In einem Waisenhaus im Mittleren Westen.“
„Haben Sie Ihre Eltern sehr früh verloren?“, fragte er mitfühlend.
„Über meinen Vater weiß ich nichts. Meine Mutter bekam mich, als sie selbst noch ein Teenager war. Ein Baby überforderte sie völlig, also kümmerte meine Großmutter sich um mich. Als auch das nicht funktionierte, landete ich in einem von Nonnen geleiteten Waisenhaus, in dem ich eine glückliche Kindheit verlebte.“
Kayleen war inzwischen daran gewöhnt, die Geschichte ihrer Kindheit in einer geschönten Fassung herunterzuspulen, um ihren Gesprächspartnern Unbehagen zu ersparen. Niemand brauchte zu wissen, dass ihre Mutter sie nicht wollte, ebenso wenig wie ihre Großmutter. Die Verantwortung für ein Baby war beiden Frauen einfach nur lästig gewesen. Auch ging es sonst niemanden etwas an, was für ein Gefühl es war, als Fünfjährige vor den Toren eines Waisenhauses ausgesetzt zu werden und zu wissen, dass sie ihre Familie nie wiedersehen würde. König Mukhtar konnte ohnehin nicht nachempfinden, was es bedeutete, ganz allein auf der Welt dazustehen.
„Erinnern Sie sich an Ihre Mutter?“, wollte er wissen.
„Nein.“ Eine Tatsache, die Kayleen schon längst nicht mehr traurig stimmte.
„Vielleicht begegnen Sie sich irgendwann einmal wieder.“
„Das wäre schön.“ Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Kayleen wusste, dass die Leute genau diese Worte von ihr hören wollten. Im Konvent hatte man sie dazu erzogen, ihrer Mutter und Großmutter zu verzeihen. Was jedoch nicht bedeutete, sich nach einer herzzerreißenden Familienzusammenführung zu sehnen.
„Jetzt verstehe ich, wieso Sie sich so sehr für die Mädchen eingesetzt haben“, sagte König Mukhtar nachdenklich.
„Die drei müssen unbedingt zusammenbleiben“, erklärte sie leidenschaftlich. „Sie haben doch nur einander. Ich bin As’ad unendlich dankbar, dass er die Pflegschaft übernommen hat.“
„Wie ich höre, haben Sie einen unfreiwilligen Ausflug in die Wüste hinter sich.“
„Stimmt.“ Sie lachte verlegen. „Ich muss sagen, ich bin begeistert von der Gastfreundschaft und der Liebenswürdigkeit der Beduinen. Ihre Art zu leben finde ich sehr beeindruckend. Das Wahren der Traditionen, die Orientierung an ihren Wurzeln.“
„Das überrascht mich. Die meisten jungen Frauen würden eine Shoppingtour in ein elegantes Einkaufszentrum einem Trip in die Wüste vorziehen.“
Kayleen zog abschätzig die Nase kraus. „Einkaufen interessiert mich nicht.“ Dazu fehlten ihr ohnehin die Mittel.
„Mal abwarten, vielleicht unternimmt As’ad demnächst einen ausgiebigen Einkaufsbummel mit Ihnen.“
„Das wäre sicher nett, ist aber nicht nötig. Er hat schon so viel für mich getan.“
„Sie mögen meinen Sohn also?“ Der König sah sie forschend an.
„Natürlich, er ist ein wunderbarer Mensch“, schwärmte Kayleen. „Charmant und klug und geduldig.“ Und er versteht sich aufs Küssen . Doch dieses kleine Detail würde sie dem König natürlich nicht auf die Nase binden.
„Ich bin erfreut zu hören, wie gut Sie zurechtkommen.“ Er lächelte zufrieden in sich hinein. „Höchst erfreut.“
Kayleen begrüßte Neil mit einer lässigen Handbewegung. Da er darauf verzichtete, sich ihr mit einem lauten Protestschrei in den Weg zu werfen, marschierte sie an ihm vorbei direkt ins Allerheiligste.
As’ad blickte von seinem Computerbildschirm hoch. „Du schüchterst den guten Neil wohl heftig ein. Offenbar hat er es aufgegeben, dich aufhalten zu wollen.“
„Meinst du wirklich?“ Sie musste lachen. „Keine Angst, ich störe dich nicht lange. Ich wollte nur …“Vor dem Schreibtisch blieb sie unschlüssig stehen. „Ich habe mich mit dem König unterhalten.“ Eine Tatsache, die sie immer noch in ungläubiges Staunen versetzte. Kayleen James, eine unbedeutende Lehrerin aus dem Mittleren Westen der USA, ging bei Königs ein und aus … „Dabei wurde mir bewusst, dass ich dich nicht hätte zwingen dürfen, die Mädchen in Pflege zu nehmen. Es geschah alles so plötzlich, und mir blieb keine Zeit, die Sache zu Ende zu denken. Ich fürchte, die Aktion hat dein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt.“
„Du hast mich nicht dazu gezwungen.“ Er stand auf und kam um den Schreibtisch zu ihr herum.
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