Erlösung.
Dakota saß morgens um Viertel nach sechs um Büro, was selbst für ihre Verhältnisse früh war. Doch sie musste jede Menge Arbeit nachholen. Vorgestern war sie bis um vier Uhr morgens bei Tony gewesen, hatte dann zwei Stunden geschlafen und war dann auf der Arbeit so müde gewesen, dass sie ihr Tagespensum nicht geschafft hatte. Deshalb war sie heute schon so früh hier, um alles nachzuarbeiten.
Das Gurgeln der Kaffeemaschine im Nebenraum kündigte an, dass der Kaffee fertig war. Dakota holte sich eine Tasse.
Auf dem Rückweg zu ihrem Schreibtisch fiel ihr der Laptop ins Auge. Es konnte bestimmt nicht schaden, mal einen Blick auf die Antworten von Eve’s Apple zu werfen, oder?
Dakota loggte sich ein und ließ sich verblüfft zurückfallen, als sie die vielen Antworten sah. Den Betreffzeilen nach zu urteilen, schienen die meisten sie für eine Idiotin zu halten. Ob sie sich das wirklich antun wollte? Doch schließlich siegte ihre Neugier.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: Wem willst du eigentlich etwas vormachen?
D.,
lies doch noch mal deine E-Mail durch und sei ganz ehrlich zu dir selbst. Ich wurde ganz traurig, als ich sie gelesen habe. Triffst du den Typen wieder? Was ist eigentlich genau zwischen euch passiert!?!
Dakota schüttelte den Kopf. Details würde sie bestimmt nicht ausbreiten. Sie wollte gerade offline gehen, als sie einen Absender erkannte. Es war Carson, die Frau, die ihr schon einmal geschrieben hatte.
D.,
schön, dass du mal wieder von dir hören lässt. Ich musste in der letzten Zeit viel an dich denken. Besser als über meine eigene Misere nachzugrübeln, oder?
Vorgestern habe ich nämlich Larry mit einer anderen Frau gesehen, und sie trug einen dicken Verlobungsring am Finger. Ich vermisse ihn so! Und? Hast du nachgegeben und den Typen doch noch kontaktiert? Wenn nicht, mach es unbedingt. Warte nicht, bis du ihn mit einer anderen siehst. Lass bald mal wieder von dir hören. Viel Glück!
Carson
Dakota loggte sich wieder aus. Sie spürte die gleiche Traurigkeit wie das letzte Mal nach Carsons E-Mail. Schlimmer noch, sie empfand plötzlich fast so etwas wie Panik. Würde sie es ertragen, Tony mit einer anderen Frau zu sehen? Es würde sie umbringen. Dabei hatte sie kein Recht, etwas anderes als Gleichgültigkeit in solch einem Moment zu empfinden. Ihr Magen schnürte sich plötzlich zusammen.
Dakota warf einen Blick auf die Uhr und drückte wieder auf den Fahrstuhlknopf. Sie war schon fünf Minuten zu spät dran, und die Bar, in der sie sich mit Tony verabredet hatte, lag noch weitere fünf Gehminuten entfernt. Sie musste wirklich den Verstand verloren haben, als sie Tony vorschlug, sich dort mit ihr zu treffen. Sargenttis war die reinste Juristenhochburg. Aber leider war es die einzige Bar, die sie kannte, und das auch nur, weil die anderen Anwälte alle dorthin gingen.
Inklusive ihres Bruder. Na klasse!
Zum Glück befand Cody sich noch immer in einem Meeting, aber andere Kollegen würden dort sein und neugierige Fragen stellen. Tony würde sich bestimmt zu Tode langweilen. Und das wäre dann allein ihre Schuld.
Als sie Sargenttis erreichte, war die Bar bereits voll. Dakota erkannte zwei Richter, die sie beide nicht besonders mochte, und einige selbstgefällige Anwälte, die im gleichen Bürogebäude wie sie arbeiteten. An einem Ecktisch waren zwei ihrer Kollegen ins Gespräch vertieft.
Sie konnte Tony zunächst nicht sehen, entdeckte ihn dann jedoch am Ende der Bar, umgeben von drei Männern und einer Frau. Eine schwarze Lederjacke hing über seinem Arm, und er trug ein weißes T-Shirt, Jeans und Arbeitsstiefel. Die Sachen waren sauber, wirkten in der Umgebung jedoch trotzdem unpassend. Doch offensichtlich störte Tony das nicht. Er machte einen äußerst entspannten Eindruck und unterhielt sich lebhaft.
Dakota näherte sich unauffällig und blieb etwas abseits stehen.
„Also Greta, wann wollen Sie den Schritt wagen?“, fragte Tony die etwa dreißigjährige Blondine neben ihm.
„Wahrscheinlich im Frühjahr. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich gleichzeitig meine Miete und die Renovierung bezahlen soll“, klagte sie.
„Ich erkläre Ihnen mal, wie Sie vorgehen müssen …“ Plötzlich entdeckte Tony Dakota und verzog die hübschen Lippen zu einem warmen Lächeln. „Dakota! Hi.“ Die anderen drehten sich nach ihr um.
Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Zum Glück war die Bar nicht sehr gut beleuchtet. „Hi.“