Collection Baccara Band 0315
pfeifen die Spatzen nachmittags vom Dach“, beendete sie den Satz für ihn. „Ich weiß, ich weiß …“ Das Licht der Lampe über ihnen hob die roten Strähnchen in ihrem dicken braunen Haar hervor. Damals, auf der Highschool, hatte sie die Haare kurz getragen. Jetzt waren sie schulterlang. Heute Abend hatte sie sie zu einem lockeren Knoten gesteckt. Ein paar Strähnen hatten sich gelöst und kringelten sich an ihren Wangen. Etwas wehmütig bekannte sie: „Ehrlich gesagt habe ich diese Stadt vermisst.“
„Du hast vermisst, dass sich jeder in die Angelegenheit des anderen einmischt?“
„Okay, das nicht“, räumte sie ein. „Aber die Fürsorge füreinander, weißt du? Das ist das Schöne hier. Die Menschen kümmern sich umeinander.“ Sie lachte, und Brett merkte, wie sehr er ihr warmes, glückliches Lachen vermisst hatte – auch wenn ihm das jetzt erst bewusst wurde. Ihre braunen Augen glänzten. „Deshalb sind sie auch so verdammt neugierig.“
„Ja.“ Brett lebte gern hier in der Provinz. Doch er hasste die Tratscherei. Solange er zurückdenken konnte, hatten die Leute über seine Familie geredet – über seinen charakterlosen, durch stetige Abwesenheit glänzenden Vater, Blake Bravo. Über seinen wilden ältesten Bruder und seinen verrückten jüngsten. „Ich habe gelernt, ihnen keinen Anlass zum Tratschen zu geben.“
„Oh, sie reden trotzdem über dich. Das weißt du.“
„Meinst du?“
„Ich weiß es. Ich habe es gehört. Sie sagen, du sollst endlich heiraten. Du und Brand.“ Mit seinen neunundzwanzig Jahren war Brand ein Jahr jünger als Brett. Er war Anwalt. Und wie Brett war er stolz darauf, einer der normalen Bravo-Brüder zu sein. Was bedeutete, dass er einen anständigen Beruf ausübte und sich aus Schwierigkeiten heraushielt. Sie fügte hinzu: „Falls es dir niemand direkt gesagt hat, hier ist ein eingeschworener Junggeselle nicht gern gesehen, vor allem dann nicht, wenn er zufällig auch noch Arzt ist. Oder Anwalt. Frag meine Mamma. Sie wird dir sagen, dass Ärzte und Juristen es der Gesellschaft schuldig sind, zu heiraten und eine Familie zu gründen – möglichst eine sehr große.“
Er gab sich entsetzt. „Jetzt machst du mir aber Angst.“
„Das sehe ich dir an.“
Brett war es egal, dass die Leute meinten, er solle endlich heiraten. „Vielleicht redet man in der Stadt über mich. Aber ich verspreche dir, es geht nie darum, wie verrückt, kaputt oder unbeherrscht ich bin.“
Sie musterte ihn. Ihr Gesicht drückte … was drückte es aus? Bewunderung, vielleicht. Der Gedanke, dass Angie ihn bewundern könnte, gefiel ihm. Leise sagte sie: „Du klingst so stolz.“
Ihre Worte machten ihn verlegen, doch er hoffte, dass sie es nicht merkte. „Was ich damit sagen will, ist, dass ich es mir zum Prinzip gemacht habe, ein langweiliges, normales, undramatisches Leben zu führen.“
„Undramatisch“, wiederholte sie. „Das kann ich so gut nachempfinden.“
Brett wusste, dass sie auf ihre Familie anspielte. Die Dellazolas lebten seit etwa 1850 in dieser Gegend. Damals hatten Tony und Stefano Dellazola Genua verlassen und waren in Ellis Island vom Schiff gegangen, um ihr Glück bei der Goldsuche in Kalifornien zu versuchen. Sie hatten sich dem Treck quer durchs Land angeschlossen und waren ein paar Meilen flussaufwärts fündig geworden. Der ältere der beiden Brüder hatte keine Kinder gehabt, aber Tony.
Seit der Zeit hieß jedes erstgeborene männliche Baby der Dellazolas Anthony. Manchmal gab es drei oder vier Tony Dellazolas gleichzeitig. Sie trugen verschiedene Spitznamen. Old Tony war der Urgroßvater, Little Tony Angies Vater, Anthony der große Bruder und Baby Tony Anthonys Sohn.
Die Dellazolas waren ein chaotischer Haufen. Ihr Credo schien zu sein, dass alles, was wert war, gesagt zu werden, laut gesagt werden musste.
Angie trank von ihrem Wodka. „Erzähl. Wie ist es dir ergangen in den letzten Jahren … wie viele Jahre sind es? Zwölf, seit du an die University of California gegangen bist?“
Er tat überrascht. „Zwölf Jahre? Ist es wirklich so lange her?“
„Ist es.“
„Nun, ich habe ein ganz normales Leben geführt – College, Medizinstudium, Facharztausbildung.“
„Und jetzt bist du wieder hier. Meine Mutter ist übrigens ganz glücklich, dass du die Praxis von Doc Hennessey übernommen hast, als er sich zur Ruhe gesetzt hat.“
„Wenn Mamma Rose glücklich ist, dann bin ich es auch. Übrigens bin ich in all den Jahren, die ich
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