Collection Baccara Band 329
Energie, seine Missachtung aller Mitmenschen und seine ständigen Lügen hatte Mia geschwiegen. Das Thema war ihr einfach zu peinlich.
Sie holte ihr Strickzeug aus der Tasche. Auch schon gestern Nachmittag und Abend hatte sie die Zeit genutzt und gestrickt. „Einen Moment lang dachte ich, ich hätte meinen Vater gesehen. In einem der Autos auf dem Hotelparkplatz.“
„Du dachtest?“ Tanner runzelte die Stirn. „Würdest du ihn denn nicht mit Sicherheit erkennen?“
„In einer perfekten Welt schon, aber zuletzt bin ich ihm vor drei Jahren über den Weg gelaufen. Und davor etliche Jahre gar nicht. Während der letzten Wochen hat er einige Male versucht, mich anzurufen. Wahrscheinlich kennt er sonst niemanden, dem er vorjammern kann, dass es mal wieder mit einer seiner dümmlichen Freundinnen nicht geklappt hat.“ Mia hörte selbst, dass sie verbittert klang.
„War er schon mal im Gefängnis?“
„Ja, allerdings immer nur für ein paar Monate am Stück, glaube ich.“ Sie legte letzte Hand an den Socken, den sie gerade strickte. Am oberen Ende fügte sie wie immer ihre Initialen in Kleinbuchstaben ein.
Tanner blickte kurz auf das Strickzeug in Mias Schoß. „Für wen sind die eigentlich?“
„Das weiß ich gar nicht genau. Ich mache in so einer Gruppe mit, weißt du? Wir stricken Socken für Soldaten, die im Ausland stationiert sind. Vor ein paar Jahren hab ich in der Zeitung von dieser Aktion gelesen. Mir gefiel der Gedanke, etwas für die Leute zu tun. Auch wenn es nur eine winzige Geste ist.“
„Genau solche Socken habe ich auch“, sagte Tanner erstaunt. „Sie haben oben auch eine Heugabel, nur in Grau.“
Mia schmunzelte. „Das ist keine Heugabel, Dummkopf. Das sind meine Initialen.“
„Ach so. Aber … Dann habe ich ja Socken von dir bekommen!“ Für einen Moment schaute Tanner sie fasziniert an. Dann wurde er wieder ernst und konzentrierte sich auf den Verkehr. „Zurück zu deinem Vater“, sagte er knapp. „Wofür hat man ihn verurteilt?“
„Diebstahl, Scheckbetrug … So ziemlich alles, was unehrlich und dämlich ist.“
Tanner überlegte. „Könnte dein Vater mit Ramirez unter einer Decke stecken?“
Mia wurde flau im Magen. „Keine Ahnung. Ramirez bewegt sich in ganz anderen Kreisen als mein Vater. Andererseits traue ich meinem Vater ehrlich gesagt alles Mögliche zu.“
Wenn er hinter dieser Sache steckt, erwürge ich ihn, dachte Mia. Meine Kindheit hat er schon ruiniert. Ich lasse nicht zu, dass er jetzt auch noch meine Karriere zerstört. „Was unternehmen wir denn nun wegen des Peilsenders?“, wechselte sie das Thema.
„Keine Sorge, ich habe einen Plan.“
„Lass mich raten: Dein Plan sieht vor, dass ich einfach mitspielen soll?“
„Logisch.“ Tanner schaute in den Rückspiegel, drückte das Gaspedal durch und raste im letzten Moment über drei Fahrspuren hinweg zur Ausfahrt. Der Minivan blieb auf dem Highway zurück.
„Allmählich glaube ich, dass das dein einziger Plan für jede Lebenslage ist.“ Und irgendwie mag ich ihn sogar, fügte Mia in Gedanken nur für sich selbst hinzu.
7. KAPITEL
Tanner fuhr auf einen Rastplatz. Er parkte ganz am Ende, hinter ein paar Lastern, die den Mietwagen verdeckten. „Wir brauchen ein anderes Auto.“
Mia zückte ihr Handy. „Ich rufe die Mietwagenfirma an.“
„Warte.“ Er reichte ihr sein eigenes Handy. „Mach es von diesem Apparat aus.“
Sie runzelte die Stirn, widersprach aber nicht.
Tanner stieg aus und schloss Mia zusammen mit der wertvollen Fracht ein. Dann kniete er sich hin, um die Unterseite des Wagens abzutasten. Über dem Hinterrad an der Beifahrerseite wurde er fündig. Er klopfte gegen die Fensterscheibe und zeigte Mia den kleinen Peilsender. Gleich darauf deponierte er ihn an der Unterseite des nächsten Lasters. Mit etwas Glück würde der Fahrer bald wieder starten und Ackerman auf eine falsche Spur locken.
Wir ändern unsere Route, beschloss Tanner. Das bringt uns zeitlich zwar ins Hintertreffen, aber bis zum Abend schaffen wir es trotzdem noch bis Nashville.
Er schmunzelte. Im Gegensatz zu Mias Vermutung hatte er durchaus einen ausgeklügelten Plan. Es machte ihm allerdings mehr Spaß, seine Exfreundin vorerst im Dunkeln zu lassen.
Ungleich schwerer war es Tanner gefallen, Mia letzte Nacht im Dunkeln zu lassen. Allein im Dunkeln. Er hatte ihre gleichmäßigen Atemzüge ebenso gehört wie ihr sanftes Murmeln im Traum und das Geräusch, das ihre langen Haare machten, wenn sie über das
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