Collection Baccara Band 332
ihren Bauch.
„Ich bekomme ein Kind“, sagte sie laut. Sie musste es aussprechen, um es sich bewusst zu machen. Es half nicht viel. Alles, was seit gestern Nacht passiert war, hatte etwas völlig Unwirkliches, fast Surreales.
Wahrscheinlich war es der Schock, warum sie immer noch nicht begriff, was da mit ihr geschah.
Ihr Bruder hatte noch einmal versucht, sie anzurufen, aber sie rief auch diesmal nicht zurück. Ein Gespräch mit ihm hätte sie überfordert, solange sie dieses Geheimnis vor ihm hatte.
Nachdem sie eine Stunde auf ihrem Cello geübt hatte, ging es ihr besser, auch wenn sie immer noch nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Noch war ihrem Körper nichts anzusehen. Aber langsam sickerte in ihr Bewusstsein durch, dass sie ein Kind bekommen würde – und für ein paar Sekunden verspürte sie ein wildes Verlangen danach, zu Marc zu rennen und ihm die aufregende Neuigkeit zu verkünden.
Aber dieser Impuls war schnell vorbei, und sie fragte sich, ob sie ihm für heute Abend nicht absagen sollte. Es war schon schwierig genug, sich nachher gegenüber Colleen Kavanaugh nicht zu verraten. Wie sollte sie am selben Tisch mit Marc sitzen und ihre Neuigkeit nicht sofort hinausposaunen?
Ihr Zustand schwankte zwischen Benommenheit und überschäumender Freude, zwischen Angst und Erregung. Es war verrückt, ganz und gar verrückt. Offenbar war alles, was sie je über schwangere Frauen und ihre Gefühlsausbrüche und seltsamen Anwandlungen gehört hatte, wahr. Sie war dafür der lebende Beweis.
Um Viertel vor fünf Uhr klopfte es. Mari stellte ihren Kräutertee ab, lief zur Tür und riss sie auf. Colleen trug ein pinkfarbenes Sommerkleid und sah entzückend aus. Und sie lächelte.
„Ich hätte nie gedacht, dass du noch hübscher werden kannst – aber genauso ist es.“
Mari lachte. „Das könnte ich von dir auch sagen.“ Auf einmal war sie unendlich glücklich darüber, dass sie ihre alte Freundin wieder traf. „Komm herein!“
Colleen warf einen schnellen, vorsichtigen Blick zum Haus der Kavanaughs hinüber. „Hättest du etwas dagegen, wenn wir uns bei meiner Mutter treffen? Sie ist mit ihrer Freundin beim Arzt, und Jenny ist allein. Eigentlich wollte ich sie mitbringen, aber sie ist eingeschlafen, und ich möchte sie nicht wecken. Sie ist nicht ganz auf dem Damm, und Schlaf tut ihr gut.“ Sie sah Mari offen an. „Ich weiß, dass es für dich eine Überwindung ist. Aber Marc und Liam sind mit Brendan am Strand und kommen sicher so bald nicht zurück. Und, wie gesagt, meine Mutter hat ihre Freundin zum Arzt gefahren.“
„Na ja …“ Mari fühlte sich nicht recht wohl dabei, ein Haus zu betreten, in dem sie nicht willkommen war. „Ich verstehe das mit Jenny, aber vielleicht sollten wir unseren Termin verschieben.“
„Unseren Termin?“ Auf Colleens Stirn bildete sich eine kleine Furche. „Das klingt so schrecklich offiziell. Ich dachte, wir wollten unsere alte Freundschaft wieder aufwärmen.“
Unsere alte Freundschaft …
„Wenn du sicher bist …“
„Ja, natürlich. Komm, lass uns die letzten fünfzehn Jahre nachholen.“
Und das taten sie dann auch. Sie saßen mit Eislimonade auf der Veranda der Kavanaughs und redeten. Eine Stunde lang konnte Mari fast vergessen, dass sie schwanger war. Und fast hätte sie auch vergessen, dass sie Colleen eine Stelle anbieten wollte. Aber dann kam sie doch noch auf das Familienzentrum zu sprechen.
Colleen hörte aufmerksam zu. „Du hast das Geld nie angerührt?“, fragte sie, als Mari fertig war.
„Nein.“ Mari schüttelte den Kopf. „Ich habe mich so oft gefragt, wozu es wohl einmal gedacht war. Vielleicht für deine Collegegebühren oder Marcs Jurastudium? Oder vielleicht auch für deine oder Deidres Hochzeit …“ Maris Augen waren feucht geworden, aber sie lächelte, als sie Colleen ansah. „Es war eine Tortur. Ich habe euch doch alle auf die eine oder andere Weise geliebt. Eine Weile habe ich ernsthaft überlegt, ob ich das Geld nicht zurückgeben soll.“
„Das wäre nicht gut gewesen“, widersprach Colleen. „Dadurch hätte sich das Gleichgewicht verschoben.“
Mari konnte kaum fassen, dass Colleen ihre Gefühle offenbar genau verstand.
Colleen sah in ihr Glas. „Ich nehme die Stelle.“
„Im … im Ernst?“
Colleen nickte. „Ja. Vorher muss ich natürlich noch den Arbeitsvertrag durchlesen. Außerdem weiß ich nicht, welche Kündigungsfrist ich bei meiner derzeitigen Stelle habe, aber – ja. Ich will die Stelle.“
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