Collection Baccara Band 332
Wochen war das Haus in Harbor Town verkauft worden, und mehr als Erinnerungen waren nicht geblieben. Sie betrachtete ein Schwarz-Weiß-Bild, auf dem ein Paar für das Hochzeitsfoto posierte.
„Das sind deine Großeltern“, flüsterte sie, die Hand auf ihrem Bauch.
Inzwischen hatte sie ein kleines Bäuchlein, das aber noch nicht auffiel, wenn man nichts von der Schwangerschaft wusste. Nur sie spürte es.
„Sie würden dich von vorn bis hinten verwöhnen“, sagte sie, „vor allem dein Granddad.“
Wieder griff sie in die Tüte. Dieses Mal kam ein schwarzes Jahrbuch zum Vorschein, ihr eigenes aus dem letzten Jahr am College. Siebzehn Jahre alt war sie damals gewesen, voller Neugier auf die Zukunft – und hoffnungslos in Marc verliebt. Sie öffnete das Buch und lächelte, als sie die vertrauten Gesichter sah. Mein Gott, wie doch die Zeit verging.
Auf einmal entdeckte sie zwischen den Seiten einen rosafarbenen Umschlag – eine Karte ihrer Eltern war darin, die sie ihr nach dem Examen geschrieben hatten. Wir sind sehr stolz auf dich. Auch wenn es einmal schlecht läuft, gib nie die Hoffnung auf …
Maris Augen wurden feucht. Sie stand nur da und sah auf die Karte hinunter. Ihr war, als sähe sie ihre Eltern leibhaftig vor sich. Sie ging ans Fenster und sah auf die Lichter der Stadt hinaus. Und auf einmal waren es nicht mehr ihr Vater und ihre Mutter, die sie vor sich sah, sondern Marc.
Gib nie die Hoffnung auf …
Aber genau das hatte sie getan. Sie hatte ihre Zweifel die Oberhand gewinnen lassen und alle Hoffnung begraben. Vom Verstand her war es vielleicht die richtige Entscheidung gewesen, aber Hoffnung hatte nichts mit Logik zu tun.
„Ihre Mutter ist hier.“
Marc sah erstaunt auf. „Was?“
Er blieb vor seinem Arbeitszimmer stehen. Gleich hatte er eine wichtige Besprechung. Es ging um einen sehr komplizierten Fall, aber für den Moment musste er in den Hintergrund treten. Seine Mutter kam nur selten in die Stadt, und bei der Arbeit störte sie ihn so gut wie nie. Es musste also einen Grund geben, wenn sie hier auftauchte.
Marc bedankte sich bei seiner Sekretärin und trat dann in sein Zimmer. Brigit stand von ihrem Stuhl auf. Er fand, dass sie gesund aussah, aber …
„Ist etwas passiert, Mom?“
„Nein, nein.“
Nachdem er seine Tasche abgestellt hatte, gab er ihr einen Kuss zur Begrüßung. „Warum bist du dann gekommen?“
„Ich wollte mit dir reden.“
„Worüber?“ Marc setzte sich an den Schreibtisch.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du warst gestern so abweisend am Telefon.“
„Ich war unter Zeitdruck.“
„Mari fehlt dir.“
Marc hob mit einem Ruck den Kopf. Dieser Name war in schweigendem Einvernehmen eigentlich tabu zwischen ihnen. Er selbst hatte ihn seit sechs Wochen nicht mehr ausgesprochen.
„Wie kommst du ausgerechnet jetzt darauf?“, wollte er wissen.
„Weil ich dich kenne. Du leidest.“
Marc antwortete nicht, sondern drehte nur seinen Stift zwischen den Fingern. Langsam stieg Ärger in ihm hoch.
„Was soll das, Mom? Du bist doch wohl nicht den ganzen Weg nach Chicago gekommen, um mir zu sagen, dass Mari mir fehlt! Und wenn es so wäre?“
Brigit presste einen kurzen Moment die Lippen aufeinander. „Ich dachte, ich könnte dir deinen Kummer vielleicht erleichtern.“
Marc lachte freudlos auf. „Das möchte ich bezweifeln.“
Brigit holte tief Luft. „Wer weiß. Ich habe Mari ein paar Tage nach meinem Herzanfall zufällig getroffen. Sie hatte einen Arzttermin.“
Marc zog die Augenbrauen zusammen. „Ja, ich weiß. Sie fühlte sich nicht ganz wohl.“
„Das heißt, ihr war schwindlig und gelegentlich übel?“
„Worauf willst du hinaus?“
„Sie war bei der Frauenärztin.“
Er sah seine Mutter nur an. Aus weiter Ferne hörte er die Alarmanlage eines Autos loskreischen.
„Mari ist schwanger, Marc. Sie hatte diese gewisse Ausstrahlung, die nur schwangere Frauen haben.“
Marcs Herz schlug schneller. Noch immer brachte er kein Wort heraus.
Brigit räusperte sich. „Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass es sich nicht um dein Kind handeln kann.“
„Was?“ Ihm schien, als hörte er sie durch eine dicke Schicht Watte sprechen.
„Selbst wenn … also ich meine, wenn ihr intim wart, als Mari in Harbor Town war, konnte sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, ob sie schwanger war. Wenn sie das also trotzdem vermutete, dann muss das Kind von einem anderen Mann sein, Marc. Deshalb bin ich hier. Ich dachte, es hilft dir
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