Collection Baccara Band 336
brachte.
Liebst du mich?
Ihre Worte klangen ihm noch in den Ohren. Er stöhnte auf und presste die Stirn an die Fliesen. Sie war so unsicher gewesen und doch so hoffnungsvoll, als sie ihm diese Frage stellte. Und was hatte er geantwortet?
Überhaupt nichts. Er war einer Antwort geschickt ausgewichen. Diese Taktik hatte er sich bei den harten Verhandlungen im Geschäftsleben angeeignet.
Creed hat recht, dachte er und fühlte sich elend. Er behandelte Gina schäbig. Selbst für seine Verhältnisse.
Während Case mit seinen Schuldgefühlen kämpfte, saß Curtis Reynolds am Kopfende des langen Tisches in seinem geräumigen Esszimmer und las die Zeitung. Wie gewöhnlich war er allein. Dieser Umstand störte ihn inzwischen immer öfter.
Als er die Schlagzeile auf der Titelseite sah, traf es ihn wie ein Schock. Seine Tochter und Case Fortune hatten sich verlobt. Schnell überwand er jedoch seinen ersten Schrecken, denn eigentlich konnte er mit dieser Entwicklung durchaus zufrieden sein.
Es wurde höchste Zeit, dass Gina heiratete. Nachdenklich nippte er an seinem Kaffee. Leider war es zu spät für ihn, um an dieser Verbindung teilzuhaben. Er hätte gern Enkelkinder gehabt. Früher am liebsten einen Jungen, aber an diesem Punkt seines Lebens hätte er sich über ein Mädchen doch mehr gefreut.
Er dachte an die Krankheit, die ihn langsam von innen zerfraß, und lehnte sich stöhnend in seinem Stuhl zurück. Es war seltsam, wie die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit einen Mann verändern konnte. Noch vor einem Jahr hätte er keinen Gedanken an Enkelkinder verschwendet. Nun, da er dem Tod ins Auge blickte, verloren die Dinge, die ihm einst so wichtig waren, zunehmend an Bedeutung. Immer öfter musste er an seine Frau und seine Tochter denken und an die schrecklichen Fehler, die er bei ihnen begangen hatte. Um sein Geschäft, das früher der Mittelpunkt seines Lebens war, kümmerte er sich so gut wie gar nicht mehr.
Er streckte eine Hand aus und griff erneut nach der Zeitung, die er fallen gelassen hatte. Aufmerksam studierte er das Foto seiner Tochter. Sie hatte sich zu einer hübschen Frau entwickelt. Das erfüllte ihn gleichermaßen mit Stolz und Reue. Sie war keine hinreißende Schönheit wie ihre Mutter, doch eine attraktive, aparte junge Dame.
Wann hatte er Gina zuletzt gesehen? Vor zehn Jahren? Nein, wohl eher vor zwölf. In dem Sommer, bevor sie ihr Studium begonnen hatte, war sie auf einen kurzen Besuch zu Hause gewesen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, an ihren Wutausbruch, weil er am Tag nach ihrer Ankunft eine unaufschiebbare Geschäftsreise antreten musste, aber auch an den Schmerz und die Enttäuschung in ihrem Blick. Diese Erinnerung verfolgte ihn bis heute.
Damals hatte es ihm nichts weiter ausgemacht. Er hatte die Schuldgefühle verdrängt. Genauso wie die, die ihn angesichts ähnlicher Reaktionen seiner Frau beschleichen wollten. Er hatte sich immer eingeredet, das Geschäft sei wichtiger und dass er Reynolds Refining schließlich für seine Familie zu einem Erfolg machen wolle. Er war in der Lage gewesen, seiner Frau und seiner Tochter ein sehr angenehmes Leben zu bieten, ein sicheres, behagliches Zuhause, eine gehobene gesellschaftliche Stellung und alles, was man mit Geld kaufen konnte.
Jetzt, da seine Zeit ablief, erkannte er, wie falsch diese Einstellung war. Er hatte nicht nur seine Familie, sondern auch sich selbst so vieler glücklicher Momente beraubt. Seine Frau hatte immer wieder vergeblich versucht, ihm das klarzumachen. Er war siebenundfünfzig Jahre alt. Eigentlich im besten Alter. Und er war ganz allein auf der Welt. Er hatte seine Frau in den Freitod getrieben und sich jede Chance auf eine Beziehung zu seiner Tochter verbaut, indem er seine Karriere stets über die Bedürfnisse seiner Familie gestellt hatte.
Und wofür das alles? fragte er sich nun. Nur für eine verdammte Firma. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit unendlicher Traurigkeit. Vor Kurzem hatte er im Radio einen Westernsong gehört, dessen Text sein Leben auf den Punkt brachte. In einen Sarg kann man kein Gepäck mitnehmen, hieß es da sehr treffend.
Wie wahr, dachte er. Und wie furchtbar, dass er das erst jetzt erkannte, wo es endgültig zu spät war. Er hatte die vergangenen Jahre damit verschwendet, Geld zu horten. Und jetzt, am Ende seines Lebens, begriff er, wie sinnlos das war. Er hatte dem geschäftlichen Erfolg das geopfert, was am wichtigsten war.
Seine Familie.
Er barg das Gesicht in den Händen und
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