Collection Baccara Band 338
Sie hatte keine Ahnung, was Reese nach Sioux Falls geführt hatte, und sie war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen freundlichen Gedanken an ihn zu verschwenden. Er hatte sie betrogen und sie war seinetwegen am Boden zerstört gewesen.
Niemand außer Reese und ihr selbst kannte die ganze Wahrheit, dabei sollte es bleiben, solange es irgend möglich war.
„Wer ist er, Eliza?“, fragte Nicole beharrlich. „Bitte, sag es mir.“
Sie hatte dieses Geheimnis sechs Jahre lang gehütet. Abgesehen von der unausweichlichen grenzenlosen Demütigung, der sie ausgesetzt wäre, beunruhigte sie der Gedanke, welchen Schaden diese Geschichte für ihre Familie anrichten könnte, sollte sie bekannt werden. Der angesehene Name der Fortunes würde zweifellos in Verruf geraten.
Damals war Eliza so dumm und naiv gewesen. Wenn die Wahrheit ans Tageslicht käme, würde sie ihren guten Ruf verlieren und das Vertrauen, das viele Wohltätigkeitsorganisationen in sie setzten. Ganz zu schweigen von den Schlagzeilen in der Presse. Eine skandalöse Romanze genügte für ein ganzes Leben.
Sie hatte es geschafft, über ihren ersten Fehltritt hinwegzukommen, würde ihn aber niemals vergessen können, ebenso wenig wie vermutlich die Einwohner der Stadt. Deshalb musste sie alles daransetzen, um ihren zweiten Fehltritt in Liebesdingen für immer vor der Welt zu verbergen.
Eliza unterdrückte ein Seufzen. Es war schwer, ihrer besten Freundin die Wahrheit zu verschweigen. Ratlos blickte sie in Nicoles bernsteinbraune Augen.
„Irgendetwas stimmt doch nicht mit dir, Lizzie.“
Indem sie ihren Kosenamen aus der Kindheit benutzte, erinnerte Nicole sie unbewusst daran, wie lange sie beide schon befreundet waren. Mehr als die Hälfte ihrer einunddreißig Lebensjahre standen sie einander so nahe wie Schwestern. Unzählige Male hatte Eliza ihr inzwischen die Wahrheit gestehen wollen, es jedoch nicht über sich gebracht. Nun war der Zeitpunkt offenbar gekommen, an dem sie diese traurige Geschichte nicht länger für sich behalten konnte. Nicole war verschwiegen und würde Diskretion wahren. Außerdem hätte sie in ihr eine verlässliche Verbündete, falls es doch zur Katastrophe käme.
Und so entschloss sie sich, die Worte auszusprechen, die sie noch niemandem gegenüber geäußert hatte, nicht einmal im Kreis ihrer Familie. „Sein Name ist Reese Parker und … er ist mein Ehemann.“
Eliza zitterte in der kalten Nachtluft. Nach dem kurzen Gespräch mit Nicole hatte sie den Ballsaal verlassen, um auf der Dachterrasse des Fortune’s Seven Hotels ungestört nachdenken zu können. Die spektakuläre Aussicht auf die Stadt hatte ihr bisher immer geholfen, zur Ruhe zu kommen und sich zu sammeln. Heute funktionierte es leider nicht.
Lieber Himmel, Reese in Sioux Falls.
Sie bezweifelte stark, dass er zufällig in ihrer Heimatstadt aufgetaucht war.
Als wegen der Kälte ihre Zähne zu klappern begannen, spürte sie, wie ihr jemand eine Jacke um die Schultern legte. Sie drehte sich um und sah sich ihrem Ehemann gegenüber.
„Reese“, brachte sie mühsam hervor.
„Eliza“, erwiderte er und trat einen Schritt zurück, als könnte er ihre Nähe nicht ertragen.
Die Smokingjacke roch nach ihm, eine Mischung aus Moschus und Pinien.
„Du siehst anders aus“, sagte sie verlegen.
„Ich bin anders.“ Er nahm den Hut ab.
Sein Haar war allerdings noch so genauso wie damals, dicht, kurz geschnitten und sorgfältig gekämmt. Wie oft war sie früher mit den Fingern hindurchgefahren, um die perfekte Ordnung durcheinanderzubringen.
Sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Obwohl die Situation mehr als peinlich war, hatte er sich auf seine guten Manieren besonnen, ihr seine Jacke umgelegt und den Hut abgenommen. Reese sah nicht mehr aus wie ein rauer Rodeoreiter. Sie studierte aufmerksam das Gesicht des Mannes, der ihr vor sechs Jahren mit einem einzigen Lächeln weiche Knie verursacht hatte. Jetzt allerdings erwiderte er ihren Blick mit versteinerter Miene.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß mit einer Eindringlichkeit, die fast schon arrogant wirkte. Eliza wurde bewusst, dass ihr Abendkleid aus cremeweißer Seide ziemlich viel Haut preisgab. Sie hatte es extra für diesen Abend gemeinsam mit einem Modedesigner entworfen. Es war Ballkleidern aus der Zeit des Wilden Westens nachempfunden und tief ausgeschnitten. Das eng anliegende Oberteil betonte ihre schmale Taille. Der Stoff war in einem verspielten Muster mit feinen Goldfäden bestickt und
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