Collector
Lauf.
Selbstmord - das verbat ihr der Glaube.
Aber eine solche Verzweiflung hatte sie nie zuvor in ihrem Leben gespürt.
Ihre Hand fuhr über den Lauf, zog den Hahn zurück. Es klickte.
Sie war vergewaltigt worden. Nicht durch Lyssander, sondern durch die Substanzen der falschen Samariter. Allein deswegen hatte sie sich einem Mann hingegeben, von dem sie mit Sicherheit schwanger werden würde. Eine Abtreibung des ungewollten Kindes kam nicht infrage, es konnte am allerwenigsten etwas dafür.
Trotz ihres Glaubens hatte Theresa mehrmals über ihren Tod nachgedacht. Über Selbstmord. Wegen der Schande, wegen der Erniedrigung. Wegen ihrer Verzweiflung.
Es ist kein Ausweg. Es ist eine Flucht, die ich nicht wählen werde. Sie entspannte den Hahn, steckte die Waffe ins Achselholster und verließ ihre Kammer. Die Kugeln sollen andere zu spüren bekommen. Die Schuldigen. Der weite, helle Overall, den man ihr zur Verfügung gestellt hatte, war ungewohnt, aber besser als die stinkende Kleidung von Putin.
Theresa ging den Korridor entlang und fühlte Erleichterung, dass es kaum Menschen auf der Cortés gab. Je weniger Menschen, desto weniger Männer.
Die Medikamente und Hormone in ihrem Blut ließen sie nach wie vor anfällig für eine Paarung sein. Der Anblick eines Mannes genügte, um sie Erregung spüren zu lassen. Sie hatte den Sex mit Lyssander immer noch in bester Erinnerung und fühlte sein Ding zwischen ihren Beinen.
Die Cortés lag angedockt in der Orbitalwerft und bekam die alten und neuen Schäden repariert. Das Schiff war wegen seiner offiziellen Wichtigkeit vorgezogen worden und sollte in nur drei Tagen einsatzbereit sein, um zur VHR-Flotte zu stoßen.
Ich könnte zu Lyssander auf die Krankenstation gehen und ihn erschießen. Theresa stieg in den Lift und fuhr zu Professorin Suedes Kabine, in der sie eine Schaltung über mehrere Stationen hinweg zu den Vertretern der VHR eingerichtet bekommen sollte. Man erwartete ihren Bericht. Die Aufnahmen, die sie gemacht hatte, waren bereits überspielt worden. Gleich würde sie mit eigenen Worten das Grauen schildern, das sie erlebt hatte.
Es war keine Zeit mehr, zuerst nach Christ zu springen und den Ministrator von allem in Kenntnis zu setzen. Theresa sah ein, dass das Anliegen zu dringend und zu wichtig war, um Umwege zu gehen, so richtig sie auch gewesen wären.
Nein. Wenn, dann hätte ich Lyssander früher töten müssen. Jetzt wäre es eiskalter Mord am Vater meines Kindes. Der Lift hielt, die Türen öffneten sich, und sie stieg aus. Aber gib mir einen neuen guten Grund, Lyssander, nur einen ...
Suede, gekleidet in einen weißen Seidenkimono und sehr bleich, erwartete sie bereits. Sie hatte sich von ihrer Schwäche noch immer nicht richtig erholt.
»Hallo, Bishopness. Die Leitung steht bereits«, sagte sie und nahm sie am Arm, um sie an den Platz zu geleiten.
Theresa begab sich ins Wohnzimmer. Ein Projektor warf das Gesicht eines bärtigen Mannes an die Wand, der die dunkelrote Raumstreitkräfteuniform der FEC trug.
»Das ist Air Marshai Tannmann, mit dem WIR eben rasch gesprochen haben.« Der Mann nickte ihr zu, dann verschwand er. Stattdessen wurde das schlichte Zeichen der VHR eingeblendet: eine Rakete mit den drei Buchstaben darin. »Wir werden gleich in die Versammlung verbunden. Schildern Sie, was Ihnen alles widerfahren ist.« Suede drückte Theresa in einen bequemen Sessel, stellte ihr ein Glas Wasser und ein Päckchen Taschentücher hin. Pragmatisch. »Tannmann hat hervorragende Neuigkeiten: Die Flotte ist aufgestellt! Vierhundert große Schlachtschiffe und Jägerträger, eintausend mittlere und nochmals fünftausend kleinere stehen bereit. Und nicht zuletzt hat der Ministrator einhundert persönlich von ihm gesegnete Schiffe gesandt.« Es war zu hören, dass es die Professorin amüsierte.
Sie glaubt nicht an Gott. »Aber wohin sollen sie denn springen?«, fragte Theresa und nahm vorab einen Schluck Wasser. Sie war aufgeregt. Erinnerungen drängten empor, die sie gar nicht gebrauchen konnte.
»WIR haben die Bilder, die uns Mister Lyssander so spektakulär in unsere Köpfe rammte, sehr gut im Gedächtnis behalten und mit Hilfe UNSERES Piloten einen Tag lang Berechnungen durchgeführt, die UNS den Standort dieser riesigen Baustelle verraten«, erklärte sie, nicht ohne Stolz in der Stimme. »Für diese Erkenntnis haben WIR die Schmerzen gern auf UNS genommen.« Sie fasste die schwarzen Haare zusammen und verknotete sie locker. »Das ist UNSER
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