Colorado Saga
liebenswürdigen Posse die Rolle des Spaniers übernahm.
Ernst und würdevoll trat er unter Trommelschlag und Pfeifenklang aus dem Haus auf die Straße. Auf sein Zeichen wurde die spanische Flagge langsam eingeholt, während die Batterie auf dem Hügel elf Salutschüsse hinausdonnerte. Das Fahnentuch wurde zusammengelegt und davongetragen, ohne daß jemand eine Träne vergoß: Es gab sehr wenig Spanier in der Stadt.
Nun aber änderte sich die Situation. Eilfertig wurde die neue französische Flagge, Napoleons Trikolore, entfaltet, an den Flaggenleinen befestigt und in die Höhe gezogen. Zahllose Gewehre wurden abgefeuert, und die Pfeifer intonierten zündende Märsche. Hauptmann Stoddard, loyaler Vertreter Napoleons, akzeptierte die Übergabe und brach mit seiner französischen Delegation in Jubelrufe aus, während
Pasquinel glücklich seine rote Mütze hochwarf. Für vierundzwanzig herrliche Stunden war Saint Louis wieder französisch.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch machte Pasquinel eine Rundreise durch seine alten Stammkneipen und erklärte immer wieder: »Ich bin Franzose. Ich werde immer Franzose sein. Nieder mit Amerika!« Am nächsten Morgen lud er niedergeschlagen und mit trüben Augen ein halbes Dutzend ebenso deprimierter Franzosen zum Frühstück in sein Haus ein, um anschließend wieder zur Residenz des Gouverneurs zu marschieren und mit Tränen in den Augen zuzusehen, wie Leutnant de Lassus, jetzt wieder Franzose, das Territorium an Hauptmann Stoddard übergab, der sich in den loyalen Vertreter Präsident Jeffersons zurückverwandelt hatte. Aus Höflichkeit rief ein Mitglied der Delegation: »Hoch die Vereinigten Staaten!« Zu seiner unangenehmen Überraschung reagierte jedoch kein Mensch. Dagegen sprach Pasquinel der gesamten Einwohnerschaft aus der Seele, als er sagte: »Am liebsten würde ich mich aufhängen.«
In jenem Herbst fuhr er sofort nach der Geburt seines Sohnes wieder mit McKeag zum Platte, wo er die Goldmine der Arapaho finden wollte. Überall, wo sie hinkamen, erkundigte er sich nach der Familie des Lahmen Bibers, doch erst im Juni 1805 trafen sie auf eine Gruppe Cheyenne-Krieger, die wußten, was geschehen war.
»Blaues Blatt tot. Schnee.«
»Tot?« fuhr Pasquinel erschrocken auf. »Sie war noch jung!«
»Sie ist tot.«
»Und das Mädchen? Tönerne Schale!«
»Wir wissen nicht.«
Und nun verkündete Pasquinel seinen Entschluß, der McKeag zum erstenmal ahnen ließ, daß es in Saint
Louis einmal Ärger geben würde. Der Franzose sagte nämlich: »In diesem Sommer gehe ich nicht zurück. Ich bleibe hier, bis ich das Gold gefunden habe.« McKeag wandte ein, das sei doch unmenschlich, da Lise gerade erst das Baby bekommen habe, Pasquinel jedoch erwiderte schroff: »Um die wird sich der alte Bockweiß schon kümmern. Der wird sich immer um sie kümmern, der Alte.«
Also versteckte Pasquinel die Felle - seine besessene Suche nach dem Gold hatte ohnehin zur Folge gehabt, daß sie nicht mehr als zwei Ballen eingetauscht hatten - und führte seinen Partner dann durch eine endlose Reihe verlassener Lagerplätze und menschenleerer Flußbecken. Die Arapaho schienen sich heimtückisch versteckt zu halten. Sie waren weder am Beaver Creek noch an den Rattlesnake Buttes oder am Zusammenfluß der beiden Wasserläufe. Als es Winter wurde, lagerten die beiden Fellhändler irgendwo, ohne sich eine feste Unterkunft zu bauen.
Das ganze Jahr 1805 hindurch kehrten sie nicht nach Saint Louis zurück, sondern verschwendeten ihre Zeit mit der Suche nach Gold, im April 1806 jedoch begegneten sie einer Schar Ute-Krieger, die bei den Pawnee Pferde stehlen wollten und die behaupteten, beim Verlassen der Berge Anzeichen dafür entdeckt zu haben, daß eine Gruppe Arapaho ins Blaue Tal hinaufgezogen sei.
»Wo ist das?« fragte Pasquinel mit unverhohlener Erregung.
Ein Ute deutete auf den Berg, an dessen Flanke der Steinbiber emporkletterte, und sagte: »Bach rechts, Bach links.«
Pasquinel und McKeag erblickten das Blaue Tal zum erstenmal während eines Aprilgewitters. Von den Bergen troff der Regen, und alles war in dichten Nebel gehüllt, doch als sie weiter vordrangen, kam die Sonne in strahlender Pracht aus den Wolken, und sie sahen die grüne Wiese, in deren Mitte ein kristallklarer
Bach floß, die vielen Espen und die dunklen Fichten, die in der Sonne leuchteten.
»Genau der richtige Platz für Gold«, sagte Pasquinel, aber McKeag antwortete ihm nicht. Er nahm das schöne Bild in sich
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