Colorado Saga
Indianer sie als ihre besondere Freundin, und man rief sie oft herbei, damit sie ihren Bruder Jake beruhige, wenn er sich über die Vertragsbestimmungen aufregte. Wenn er mit ihr allein war, fiel das kriegerische Pathos von ihm ab, und an seine Stelle trat eine Verzweiflung, die noch viel ärger war.
»Von Verhandlungen konnte hier keine Rede sein, Lisette. Das war einfach ein Geschenk an den weißen Mann. Er nimmt sich, was er will, und gibt uns dafür etwas, was uns ohnehin schon längst gehört. Wenn wir Zweifel äußern, besticht er die alten Häuptlinge mit Kram und Plunder. Paß nur auf, was dabei herauskommt. Wieder wird er alles haben und wir nichts.«
Jake litt dabei selber am meisten. »Du und Mike und ich haben denselben Vater. Mit dir und auch mit Max kann ich in Frieden leben, mit den anderen Weißen nie. Diese Narbe verdanke ich ihnen. Und laß dich von Mike nicht täuschen. Er spielt den Narren und tut gern so, als wüßte er einen Ausweg, aber wenn wir uns in den Nächten unterhalten, weiß er so gut wie ich, daß uns nichts bleibt als die Vernichtung.«
In den letzten Tagen des Treffens war niemand geschäftiger als Vater De Smet. Tag und Nacht eilte er von einem Stamm zum anderen und taufte die Kinder, mit einer seit den Tagen von Galiläa nicht wieder erreichten Geschwindigkeit. Indianer, Mischlinge, Weiße, die lang in den Bergen gelebt hatten - alle taufte er sie. Er ließ alle zu sich kommen, Menschen jeden Alters und jeder Rasse, und versprach jedem den gleichen Anteil an Gottes Güte.
Kurz nachdem er die Arapaho-Kinder getauft hatte, wurden diese krank, und der Stamm schloß, daß seine Religion falsch sei. Aber bei den Sioux hatte er großen Erfolg. Ihnen gefiel seine Beschreibung des Himmels, wohin die Guten, und der Hölle, wohin die Bösen kamen. Einer der Häuptlinge erklärte: »Im Himmel wird es schön sein, wir brauchen uns nicht mehr über die weißen Männer zu ärgern, denn sie kommen alle in die Hölle.«
Jake Pasquinels Zweifeln zum Trotz waren die Bedingungen des Vertrags so gerecht, wie sie nur sein konnten, und dieses eine Mal wurden die Indianer tatsächlich wie Gleichberechtigte behandelt. Dieser Vertrag hätte die Grundlage für einen dauernden Frieden sein können, er bezog sich nicht nur auf die Beziehungen zwischen Indianern und Weißen, sondern auch auf die der Indianer untereinander. Die Regierung hatte erreicht, was sie immer erreichen wollte: das Recht, Forts zu bauen, Straßen anzulegen und den Frieden zu erhalten. Dafür verpflichtete sie sich, die Indianer gegen Ausbeutung durch Weiße zu schützen, während die Indianer ihrerseits dazu angehalten waren, den Weißen zugefügten Schaden wieder gutzumachen.
Die Regierung versprach außerdem, den Indianern als Gesamtheit über die Zeit von fünfzig Jahren die Summe von fünfzigtausend Dollar jährlich zu zahlen, als angemessene Entschädigung für ihre bisher erlittenen Verluste. Bemerkenswert an dem Vertrag war auch der Plan, die Prärie in einzelne große Gebiete aufzuteilen, die dann den einzelnen Stämmen zugewiesen wurden, wobei diese Stammesgrenzen auf der Büffeljagd jederzeit überschritten werden konnten. Die Grenzen für die nördlichen Stämme wurden von Vater De Smet gezogen, den alle schätzten. Die Grenzen im Süden für Arapaho und Cheyenne legten Major Mercy und Levi Zendt außerordentlich großzügig fest. 6400 Indianer besaßen demzufolge auf ewige Zeiten an die neunzigtausend Quadratmeilen. Jeder Indianer erhielt also vierzehn Quadratmeilen.
Nur zwei Männer ließen sich von der allgemeinen Woge der Begeisterung in diesen letzten Tagen des Treffens nicht mitreißen. Der eine war Häuptling Krummdaumen, der begriff, daß kein weißer Mann einen Vertrag einzuhalten vermochte, der ihm den Verzicht auf so weiträumige Gebiete auferlegte. »Geht heim in Frieden«, sagte er gleichmütig zu seinen jungen Kriegern, »aber bereitet euch auf den Krieg vor. Bald wird der Vertrag gebrochen, bald werden Soldaten aus den Forts marschieren, die wir ihnen zugestanden haben.« Mit Jake Pasquinel als Dolmetsch redete er in diesem Sinn auf den Verirrten Adler ein: »Geh nach Washington, kleiner Bruder, und demütige dich vor dem Großen Weißen Vater, aber vergiß nicht, daß dann, wenn die Zeit kommt, das versprochene Geld abzuholen, ein anderer Vater da sein wird, und wenn du ihn nach der Jahresrente fragst, wird er rufen: >Wer ist dieser Narr, Verirrter Adler? Ich habe ihn noch nie gesehen.< Dann wird es
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