Colorado Saga
alle nahmen bei Potato Brumbauch Hypotheken auf und waren ihm dankbar. Aber Brumbauch hatte wieder keine Leute, die ihm seine Rüben ausgedünnt hätten.
Er ließ Indianer aus dem Reservat kommen, und das ging auch recht ordentlich, wenigstens im Frühling, wenn sie mit den Pferden arbeiten konnten. Wenn aber die Zeit zum Ausdünnen kam, verschwanden sie. Er versuchte es mit heruntergekommenen Weißen, die, aus Missouri und Kansas kommend, nach Westen zogen, aber sie stahlen, betranken sich, zertrampelten die jungen Pflanzen und ließen in einer Reihe Abstände von fünfzehn, in der nächsten von vierzig Zentimetern. Es schien, als wollten sie unter Beweis stellen, daß sie Nichtsnutze waren und es auch bleiben wollten.
»Raus mit ihnen!« brüllte Brumbauch. »Ich werde die Rüben selbst verhacken!« Doch als die Taugenichtse fort waren und er versuchte, die Felder selbst zu bewirtschaften, mußte er feststellen, daß er mit seinen siebenundsiebzig Jahren wohl noch imstande war, ein großes Feld zu verhacken, nicht aber, es auch auszudünnen.
Das Ausdünnen war eine unmenschliche, zermürbende Arbeit. Die Schwierigkeit lag wieder beim Samen, denn statt eines einzigen haben die Rüben Trauben von drei bis fünf Samen, die in einer harten, rauhen Schale eingeschlossen sind. Sobald sie gepflanzt wird, produziert diese Traube nicht eine Pflanze, sondern drei, vier oder fünf. Die Schale ist zu hart, um aufgebrochen zu werden; bis heute hat man kein Mittel gefunden, um eine der Pflanzen zum Wachsen zu bringen und die anderen zum Sterben.
»Ihr müßt es so machen«, erklärte Brumbauch seinen Landarbeitern. »Ihr müßt die verhackten Reihen entlanggehen und euch jede einzelne Traube ansehen, die wir stehengelassen haben. Ihr werdet sehen, daß jede Traube in Wirklichkeit aus drei oder vier oder fünf Pflanzen besteht. Jede einzelne könnte eine Rübe produzieren, aber wenn sie das alle täten, würde keine der Rüben auch nur einen Pfennig wert sein. Ihr sollt also die größte Pflanze stehenlassen und die anderen ausjäten. Und seht zu, daß ihr auch die Wurzeln mitnehmt.«
Er konnte es nicht genauer formulieren: »Ihr müßt raten, welche die gute ist, und die anderen ausreißen.« Es war eben eine Frage des persönlichen Urteilsvermögens. Mit seinem geübten Auge fand er sofort die starke Pflanze heraus, und hätte er die Kraft gehabt, alle seine Felder zu bestellen, er würde die beste Ernte im ganzen Staat Colorado erwirtschaftet haben, aber ebendiese schwierige Aufgabe mußte er anderen überlassen - den tastenden Vermutungen ungeschulter Hände und Augen. Es schauderte ihn, wenn er sah, wie sie die gute Pflanze herausrissen und an ihrer Stelle eine zurückließen, die niemals eine große Rübe hervorbringen würde.
Anfangs pflegte er seine Helfer anzufahren: »Könnt ihr denn nicht sehen, welche die guten sind?« Er gab es auf, als ihm klar wurde, daß sie es nicht sehen konnten, daß für sie eine Pflanze aussah wie die andere. Er fragte sich, wie es mit der Zuckerrübenindustrie weitergehen sollte, wenn ihr Fortbestand von solch unzuverlässigen Arbeitskräften abhing.
Aber er war freundlich zu seinen Helfern, denn er wußte, daß das Ausdünnen von Rübenfeldern eine der scheußlichsten Arbeiten auf Gottes Erde war. Stundenlang die gebückte Haltung, den Blick starr auf den Boden gerichtet, der Rücken von Schmerz gepeinigt, die Knie aufgerissen, wenn sie sich am Boden rieben. Er achtete den Menschen, Mann, Frau oder Kind, der diese Arbeit verrichtete, und sann ständig darüber nach, wo er die nächsten Arbeiter herbekommen könnte.
Es war sein Sohn Kurt, jetzt vierzig Jahre alt und beruflich sehr erfolgreich, der ihm da zu Hilfe kam. Kurt war Colorados führender Sachverständiger in Fragen der künstlichen Bewässerung. In Washington hatte er den Staat Colorado vor dem Obersten Gerichtshof vertreten und in Denver mitgeholfen, die Gesetze über den Wasserverbrauch auszuarbeiten. Sein reiches Wissen hatte die Zuckerbarone veranlaßt, ein Auge auf ihn zu werfen, nachdem sie das Kapital beschafft hatten, um die Zuckerfabrik Central Beet zu gründen. Sie beabsichtigten, eine weitverzweigte Gesellschaft ins Leben zu rufen, die überall ihre Fabriken stehen haben sollte. Mit der Zeit sollte diese Interessengemeinschaft alle westlichen Bundesstaaten beherrschen.
Ohne eine in der Nähe befindliche Zuckerfabrik waren die Zuckerrüben wertlos. Eine reife Zuckerrübe war ein schwerer, graubrauner
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