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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Faserklumpen, der eine Flüssigkeit enthielt, die in Zucker verwandelt werden konnte. Da es in ihrem Vaterland kein Zuckerrohr gab, hatten deutsche Chemiker gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine komplizierte Methode ausgedacht, um aus Rüben Zucker zu gewinnen. Aber die Industrie war auf unsicheren Beinen dahingewankt, bis Napoleon Bonaparte, dem die britische Blockade den Zugang zu seinem Zuckerrohr verwehrt hatte, die Parole ausgab: »Rübenzucker muß her!« Und die Franzosen beschafften sich ihn.
    Weil die Rüben so schwer waren und der Transport so viel kostete, mußte die Fabrik in der Nähe der Felder liegen. Ein Ausschuß von drei Männern von Central Beet wurde beauftragt, zu untersuchen, wo diese Fabriken errichtet werden sollten. Ein Ingenieur, ein Bodenexperte und der in Bewässerungs- wie auch in Finanzfragen versierte Kurt Brumbauch bereisten alle in Frage kommenden Gebiete von Nebraska bis Kalifornien und suchten geeignete Bauplätze aus. Sie machten einige Fehler, was Tausende Dollar kostete, doch zumeist trafen sie die richtige Wahl, und nie eine bessere als an jenem Frühlingstag des Jahres 1901: »Unsere größte Fabrik im nördlichen Colorado wird noch diesen Sommer in Centennial errichtet werden. Ihre Kapazität wird neunhundert Tonnen Rüben im Tag betragen. Nach ihrer Fertigstellung wird sie die gesamte Ernte aus diesem Gebiet bewältigen können.«
    Die E. H. Dyer Construction Company of California kam mit ihren erfahrenen Ingenieuren, und die Union Pacific legte Anschlußgeleise, über welche die Rüben eintreffen und die Zuckersäcke abtransportiert werden würden. Es war eine großzügig geplante Anlage, östlich der Stadt am Beaver Creek gelegen, denn für die Zuckergewinnung brauchte man viel Wasser.
    Als die Fabrik im Jahre 1902 fertiggestellt war und die ersten Waggonladungen von Potato Brumbauchs Rüben angeliefert wurden, begann das Aufschneiden. Dann kam der Karbonisierungsprozeß und anschließend die Kristallisation. Bald zog der würzige, nicht zu verkennende Geruch der gärenden Naßschnitzel über Centennial hinweg. Einige Bewohner empfanden ihn als beißend oder sogar faulig, und weil sie diese neuen Düfte nicht ertragen konnten, verließen sie die Stadt. Für die meisten aber war es das Aroma des Fortschritts, ein durchaus einwandfreies, erdgebundenes Aroma von Rüben, die sich in Gold verwandelten.
    Die reifen Zuckerrüben wurden im Oktober und in den ersten Novemberwochen geerntet, denn sie mußten noch vor den schweren Frösten Ende November aus dem Boden sein. Das hieß, daß sie um den ersten Oktober herum in der Fabrik einzutreffen begannen, wobei das Aufschneiden bis Mitte Februar dauerte. Diese Periode wurde Kampagne genannt, und es war eine aufregende Zeit im Rübenland, weil man die Namen der zehn besten Rübenbauern jedes Landkreises bekanntgab - und einer der ersten zehn in Centennial zu sein, kam einem Ritterschlag der amerikanischen Landwirtschaft gleich.
    Der Ertrag jedes Rübenbauern pro Morgen wurde errechnet, indem man das Gesamtgewicht der an die Fabrik angelieferten Rüben, abzüglich des Gewichtes der Erde, die an den Rüben haftete, und abzüglich der nicht abgehackten Blätter, durch die Anbaufläche dividierte. Am Jahresende gaben die Direktoren von Central Beet ihre Entscheidung bekannt, worauf die zehn Gewinner fotografiert wurden. Die Bilder erschienen in der Zeitung, und man feierte sie bei einem großen Bankett in Denver.
    Im Jahre 1904 vermutete man, daß entweder Potato Brumbauch die Meisterwürde erringen würde - er hatte sie auch in den vergangenen zwei Jahren gewonnen - oder aber Otto Emig, der östlich der
    Stadt, am Platte River, gutes Anbauland besaß. »Wenn Emig gewinnen will«, knurrte Brumbauch, »muß er mehr als siebzehneinhalb Tonnen pro Morgen schaffen.« Einige Zuhörer warfen ihm Überheblichkeit vor, und Emil Wenzlaff ging noch einen Schritt weiter und meinte: »Du hast in deinem ganzen Leben keine siebzehneinhalb Tonnen erreicht, Potato. Und das weißt du auch ganz genau.«
    »Warte, bis du die Zahlen siehst«, erwiderte Brumbauch selbstsicher und grinste seine Mitbewerber an. Er war jetzt ein alter Mann, und sein Mund war gelb und runzelig. Die anderen Rübenbauern konnten einfach nicht glauben, daß ein Mann in seinem Alter einen so großen Teil seiner Ernte selbst ausgedünnt haben sollte. Das Bücken mußte qualvoll für ihn gewesen sein. Aber da er keine guten Arbeitskräfte hatte finden können, war ihm nichts

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