Colorado Saga
anderes übriggeblieben, als seine Felder selbst zu bewirtschaften.
Wenn er mit den anderen, die ebenfalls auf den Sieg hofften, fachsimpelte, beendete er das Gespräch unweigerlich mit einer Frage: »Was werden wir tun, um Arbeitskräfte zu bekommen?« Er hörte zu, wenn die anderen Bauern mit Lösungsvorschlägen kamen: »Mehr Deutsche, aber diesmal nur dumme, die ihre Kinder hier nicht zur Schule schicken wollen.« -»Warum versuchen wir es nicht noch einmal mit den Indianern? Die sitzen doch nur in ihrem Reservat herum und tun nichts.« - »Was wir brauchen, sind Leute, die sich gerne bücken und nicht daran interessiert sind, sich Grund und Boden zu kaufen.« Aber wo sollte man solche Leute finden?
»Die Herren von Central Beet«, meinte Otto Emig, dessen Rüben am besten von allen aussahen, »hätten nie soviel Geld für eine Fabrik ausgegeben, wenn sie sich dabei nicht etwas gedacht hätten. Irgendwie werden sie uns Arbeitskräfte beschaffen.« Aber die Lösung des Problems sollte von einem Mann kommen, der nichts mit der Fabrik zu tun hatte.
Jim Lloyd von der Venneford-Ranch war von der Existenz der Zuckerfabrik entzückt, weil er nun ein zusätzliches Futtermittel für sein auf der Stirn weiß gezeichnetes Vieh hatte.
Wenn die schwere Zuckerrübe aufgeschnitten und gepreßt und ihr kostbarer Saft abgezogen war, blieb eine feuchte, rauhe Masse zurück, die man Pulpe nannte. Es war ein ausgezeichnetes Viehfutter; ganz besonders dann, wenn man es mit schwerer, schwarzer Melasse, auch diese ein Nebenprodukt der Zuckerfabrikation, vermengte.
»Pulpe und Melasse!« sagte Jim Lloyd bewundernd. »Wenn ich einen Wagen mit dem Zeug zum Futterspeicher hinauffahre, kann man geradezu hören, wie die Rinder sich die gute Nachricht zuflüstern. Sie sind ganz versessen darauf.«
Jim war daher sehr daran interessiert, daß die Fabrik in Centennial in Betrieb blieb, aber er wußte auch, daß der Laden pleite ging, wenn die Bauern in der Zeit des Verhackens und Ausdünnens keine verläßlichen Arbeitskräfte bekamen. Deutsche, Indianer, Italiener, Russen, das weiße Gesindel - alles das war keine Lösung. »Wir müssen Leute finden, bei denen man sich verlassen kann, daß sie anständig ausdünnen und nicht wieder weglaufen.« Er hatte eine Idee und beschloß, mit Kurt Brumbauch darüber zu reden.
Im Dezember verbreitete sich eine sensationelle Neuigkeit in Centennial. Wie es schien, hatte Otto Emig ein Wunder vollbracht.
Wenn es augenfällig wurde, daß ein Rübenbauer gute Chancen hatte, die Meisterwürde zu erringen, dann erschienen Experten der Fabrik mit einer Stahlkette auf dem Hof dieses Mannes, um das Land, auf dem er geerntet hatte, genau zu vermessen. Die Ergebnisse von Otto Emigs Hof ließen erkennen, daß er einen neuen Rekord erzielt hatte: »Siebzehnkommasieben
Tonnen pro Morgen!«
Emil Wenzlaff überbrachte Brumbauch die Nachricht. »Das hat er geschafft, Potato!«
»Er ist ein guter Rübenbauer«, gab Brumbauch widerstrebend zu. Er konnte nicht glauben, daß Emig auf dem Schwemmland eine so reiche Ernte erzielt hatte. Der Mann mußte ja jede einzelne Pflanze händisch gedüngt haben.
Potato hatte in seinem Leben viele Erfolge gefeiert, und es wäre großmütig von ihm gewesen, dieses Jahr Otto Emig den Sieg zuzugestehen, aber er dürstete mit seinen siebenundsiebzig Jahren nicht weniger nach dem Sieg, als er das mit siebenundzwanzig getan hatte.
Und dann wurden die Zahlen endlich bekanntgegeben. In einem langen, reichlich mit Bildern versehenen Artikel berichtete der »Clarion«, daß Potato Brumbauch einen neuen Rekord erzielt hatte: siebzehnkommaneun Tonnen pro Morgen! Die Ziffer war so hoch, daß die anderen Bauern es kaum glauben konnten.
Brumbauchs Kommentar zu seinem Sieg lautete: »Der richtige Boden, das richtige Wasser, der richtige Samen. Auf dem Land im Platte-Tal ist alles möglich.« »Und das richtige Ausdünnen«, bemerkte Otto Emig großmütig.
»Wer wird nächstes Jahr für uns ausdünnen?« fragte Potato.
Anfang Februar 1905 rückte Kurt Brumbauch mit seiner Überraschung heraus. Er teilte mit, daß Central Beet einer von Jim Lloyd gemachten Anregung nähergetreten und nach umfassenden Untersuchungen nun in der Lage wäre, die ideale Lösung für da s Problem zu präsentieren. Ihre
Außendienstorganisation habe die besten Landarbeiter der Welt entdeckt, Männer und Frauen - und auch Kinder -, die imstande wären, selbst eine Billardkugel zum Keimen zu
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