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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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den Sinn.
    »Sie laufen alle davon«, antwortete Vater Gravez. »Don Porfirio, Don Luis, Oberst Fabregas. Sie sind alle in El Paso.« Der Alte schüttelte den Kopf. »Es ist schon traurig, wenn ein starker Mann am Ende seiner Tage davonlaufen muß. Es bedeutet, daß alles, was er verkörpert hat, falsch war.«
    »Hat Terrazas unrecht getan?«
    »Die Menschen, die man beherrscht, zu mißbrauchen, ist immer Unrecht«, erwiderte der Priester. »Das Glitzern der Gewehrläufe in der Sonne hat lange Zeit mein Auge getrübt«, gab er zu. »Als ich dir befahl, in den Minen zu arbeiten, war das sehr unrecht von mir. Ich wollte dich dafür um Verzeihung bitten.«
    »Mich? Ihnen verzeihen, Vater? In Dember habe ich mit einem Mädchen zusammengelebt, das nicht meine Frau war. Sie müßten mir verzeihen, Vater.«
    »Du solltest mit deiner Familie nach Norden gehen, Tranquilino. Dein Sohn Victoriano ist ein Hitzkopf. Es könnte gefährlich für ihn werden.« Er zögerte und fügte hinzu: »Es wird für uns alle gefährlich werden. Ich habe den amerikanischen Ingenieuren schon gesagt, sie sollten abreisen. Gleich.« »Die Männer auf dem Güterwagen haben das auch gesagt«, sagte Tranquilino. »Aber was wird aus Ihnen werden?«
    »Ja, das wird ein Problem werden«, erwiderte der alte Priester. »Ich habe es immer mit den Regierungstruppen gehalten. Das letzte Mal, als Oberst Salcedo die zwei Freidenker erschoß, hat er Kugeleinschläge auf der schönen Tür unserer Kirche hinterlassen, und ich wagte es nicht einmal, zu protestieren. Meine einzige Entschuldigung ist, daß ich es nicht besser verstand. Man hat mich nie eines Besseren belehrt.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben drängte es Tranquilino, seine innersten Gedanken mit einem anderen Menschenwesen zu teilen. Er hatte das nie mit seiner Frau getan, und auch nicht mit Potato Brumbauch, zwei Menschen, die er liebte, jetzt aber gingen tiefgreifende Veränderungen vor, und er hatte das Gefühl, sich aussprechen zu müssen.
    »Wissen Sie, Vater Gravez, in Colorado arbeiten wir nicht alle sieben Tage in der Woche. Bei Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang hat jeder Zeit für sich selbst. Wir treten nicht in den Rinnstein, wenn der Herr vorbeikommt, nicht einmal, wenn es der Sheriff ist. Wir bekommen unser Geld. Und wenn sich ein Mann den Arm bricht, wie das Hernandez passiert ist, reitet jemand mit ihm zum Arzt, und er braucht nichts zu bezahlen.«
    Die Fliegen summten in der weißgetünchten Pfarrei. »Es war nie recht«, schloß Tranquilino, »daß Menschen so lange in den Minen arbeiten mußten. Tag für Tag diese schmalen Leitern hinauf- und hinunterklettern und früher oder später in den Abgrund stürzen, ohne der Familie etwas hinterlassen zu können. Vielleicht war es der Gedanke an diese schmalen Leitern und an die Männer, die immerzu wie Ameisen darauf herumklettern mußten, der General Terrazas veranlaßte, die Flucht zu ergreifen.«
    »Tranquilino!« bat ihn der alte Priester.    »Behalte
    solche Ansichten für dich! Geh mit deiner Familie nach Norden.«
    Aber Tranquilino folgte diesem Rat nicht schnell genug, denn am späten Nachmittag kam ein Haufen barfüßiger Männer in blauen Hemden über die Berge nach Temchic, und sie holten alle    vierzehn
    amerikanischen Ingenieure aus ihren Häusern und erschossen sie.
    Auf gestohlenen Pferden galoppierten sie das Tal nach Santa Ines hinunter, wo sie nach dem Priester riefen, der so viele Jahre lang für die Arbeitsbedingungen eingetreten war, die die Ingenieure den Grubenarbeitern aufgezwungen hatten.    »Komm
    heraus, du elender alter... « Sie gebrauchten ein unflätiges Schimpfwort. Der alte Mann trat mutig vor die geschnitzte Tür seiner Kirche, doch noch bevor sie ihn töten konnten, kam Tranquilino Marquez aus seinem Haus gelaufen. Er stellte sich vor den Priester und deckte ihn mit seinem Leib. Es folgte einen Augenblick der    Verwirrung,    und dann    kam    ein
    großgewachsener Mann herangeritten. »Worauf wartet ihr?«
    »Der Kerl da. Er will uns den Priester nicht herausgeben.«
    »Erschießt sie beide«, befahl der Mann, doch bevor dies noch geschehen konnte, schrie Serafina Marquez: »Nein, Frijoles! Das ist Tranquilino.«
    Oberst Frijoles    stieg ab    und ging    auf    den
    entschlossenen Bauern zu, der vor dem Priester stand. »Bist du Tranquilino Marquez?«
    »Ja.«
    »Der sich weigerte, meine Frau zu erschießen?«
    »Ja.«
    »Mein Bruder!«    rief der

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