Colorado Saga
Revolutionär aus und
umarmte seinen unbekannten Freund. Damit aber
schob er Tranquilino vom Priester weg, und während er dies tat, befahl er seinen Männern, den alten Mann zu ergreifen. Rasch wurde Vater Gravez an die Kirchentür gestellt, wo Salcedo die zwei Freidenker exekutiert hatte.
»Erschießt ihn«, befahl Frijoles.
»Nein!« protestierte Tranquilino. »Das ist Mord... So wie bei deiner Frau!«
Angesichts dieser Kühnheit holte Frijoles aus und schlug Tranquilino zu Boden. Da lag er nun, während die Salve widerhallte und weitere Kugeleinschläge auf der schon verschrammten Kirchentür hinterließ.
Erst dann kniete Oberst Frijoles nieder, um Tranquilino wieder auf die Beine zu helfen. »Er hat zu viele von uns in die Minen geschickt«, sagte er leise, wie um sich zu rechtfertigen, »zu viele...«
»Aber er hat bereut.«
»In Mexiko bereuen sie heute alle. Es ist zu spät.« Frijoles aß an diesem Abend mit Tranquilino und seinem Weib, der Frau, die ihm drei kritische Tage lang Schutz gewährt hatte. »Schicke deine Frau und die zwei Kleinen nach Colorado«, sagte er am Ende des kärglichen Mahls. »Dich und diesen Jungen da, euch brauche ich.«
So wurde es vereinbart, und Serafina ging mit Triunfador und dem kleinen Mädchen über die Berge nach Guerrero, wo sie sich, wie viele andere, auf einen Güterwagen der Northwest Line schwang und das vom Bürgerkrieg zerrissene Land bei El Paso verließ. Sie fanden ihren Weg nach Centennial, wo Potato Brumbauch ihnen die Hütte gab, die Tranquilino bewohnt hatte.
Nun war alles umgekehrt. Sie und die Kinder arbeiteten auf den Rübenfeldern in Colorado und sorgten sich über die Geschehnisse in Santa Ines. Der einzige Unterschied bestand darin, daß sie Tranquilino keine Giros Postales schickte, denn sie hatte keine Ahnung, wo er sich aufhielt. Aber Brumbauch zeigte ihr, wie sie ihr Geld auf der Bank sparen konnte, und das tat sie auch.
Tranquilino und sein Sohn waren nicht in Santa Ines. Nachdem sich die Nachricht vom Massaker an den vierzehn amerikanischen Ingenieuren aus Minnesota und von dem Mord an Vater Gravez in ganz Mexiko und im Süden der Vereinigten Staaten verbreitet hatte, fühlte sich die mexikanische Regierung, soweit sie das noch war, verpflichtet, den Nachweis zu erbringen, daß sie nicht gewillt war, solchen barbarischen Exzessen Vorschub zu leisten. Sie besänftigte die Nordamerikaner, indem sie Oberst Salcedo in das Temchic-Tal entsandte, um die ganze Bevölkerung auszurotten. Die Regierungssoldaten brannten Santa Ines, aber auch die weithin sichtbaren Baulichkeiten bei den Minen nieder und fotografierten alles, um den Erfolg ihrer Befriedungsaktion zu dokumentieren.
Mit diesen Geschehnissen - der von Frijoles angeordnete Mord an Ausländern und die von Salcedo durchgeführte Zerstörung des Tales - war ein Punkt erreicht, von dem aus es kein Zurück mehr gab. Die Regierungstruppen und die selbsternannten Obersten, zwei grausame und zu allem entschlossene Gegner, wüteten jetzt, Eisenbahnzüge wie Kavallerie einsetzend, im nördlichen Mexiko.
Nie zuvor hatte es etwas gegeben, was dieser Art von Kriegführung auch nur annähernd gleich gewesen wäre - zwei Armeen, deren Bewegungen einzig und allein mit Eisenbahnzügen durchgeführt wurden. Tranquilino und sein Sohn schlossen sich einer Gruppe furchtloser, wild dreinschauender Bauern an, die in Guerrero an der Bahnlinie Stellung bezogen. Dort warteten sie, bis ein von Regierungstruppen besetzter Zug anhielt, um Wasser aufzunehmen. Mit wildem Gebrüll ihre Schießprügel schwingend, stürmten sie dann den offenen Güterwaggon, massakrierten die Soldaten und nahmen Besitz von dem Zug. Sie dirigierten ihn nach Norden, auf Casas Grandes zu. Von Zeit zu Zeit ließen sie den Lokführer halten und schwärmten wie Heuschrecken aus, um eine entlegene Hazienda zu zerstören, die General Terrazas gehört hatte. Sie töteten alle, die sich ihnen in den Weg stellten, zündeten die Gebäude an und tanzten um die Flammen, während sie den Wein des Generals tranken. Bei solchen Gelegenheiten wußte Tranquilino immer gleich, welche Bauern schon in den Vereinigten Staaten gearbeitet hatten. Sie trugen Schuhe.
Manchmal geriet ihr Zug auch in einen Hinterhalt der Regierungstruppen, die blindwütig in die offenen Güterwagen hineinfeuerten und Dutzende von Männern töteten. Der Zug fuhr puffend weiter, und langsam kamen die Wagen wieder aus dem Schußfeld; dann wurden die
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