Colorado Saga
genug! Nehmen Sie Ihre Herefords und stecken Sie sie sich...«
»Beeley!« rief Jim. Der Gedanke, daß er mit seinen Worten Ärgernis erregt hatte, bestürzte ihn. »Ich würde doch nie etwas gegen Ihren alten Herrn sagen. Mein Gott, einen anständigeren Kerl als Messmore Garrett hat es doch in Centennial nie gegeben. Ich war stolz darauf, mich seinen Freund nennen zu können.« Und dann, als wollte er seinen Schnitzer wiedergutmachen: »Ich biete Ihnen einen Job an, Beeley. Wollen Sie ihn haben?«
»Ja. Aber wir wollen nicht mehr von Schafen sprechen.«
»Beeley«, sagte Jim zerknirscht, »Charlotte und ich, wir essen Hammelfleisch, ein Beweis, daß wir nichts gegen... einmal im Jahr essen wir Hammelfleisch.«
Beeley ergriff die ihm dargebotene Hand.
In den letzten Wochen des Jahres 1911 überquerte Tranquilino den Rio Bravo bei El Paso, und als er die Massen von Flüchtlingen in Ciudad Juárez sah, begriff er, daß der offene Kampf begonnen hatte. Je weiter sein Zug sich dem Inneren von Chihuahua näherte, desto nervöser wurde Tranquilino. Bei jedem Aufenthalt kletterten verängstigte Menschen, jeder mit seinem eigenen Bericht über schreckliches Geschehen, auf die flachen Güterwagen.
»So wie das hier aussieht«, sagte er zu einem schnurrbärtigen Mann, der sich neben ihm ausgestreckt hatte, »könnte meine Frau in Gefahr sein.«
»Alle sind in Gefahr«, entgegnete der Mann. »Und wir werden so lange keine Ruhe haben, bis sich nicht jemand findet, der diesen Bluthund Salcedo abknallt.«
»Ist das der Kerl mit den blankgeputzten braunen Stiefeln?«
»Kennen Sie ihn?«
»Ich war dabei, wie er Frijoles' Frau erschossen hat.«
»Tatsächlich?«
Für eine kleine Weile wurde Tranquilino zum Helden des Tages. Er mußte genau erzählen, wie es bei dieser ersten Rebellion bei den Minen von Temchic zugegangen war.
In Guerrero, wo Tranquilino ausstieg, herrschte eine gespannte Stimmung. Oberst Salcedos
Regierungstruppen waren vor kurzem sengend und brennend hier durchgezogen, und nun fingen die Bauern an, sich mit Heugabeln und Sensen zu bewaffnen. »Wenn Salcedo noch einmal vorbeikommt, wird die Sache anders aussehen«, sagte zornig ein alter Mann. Ja, es wird anders aussehen, dachte Tranquilino für sich. Zweihundert Tote, statt zwanzig. Als er Santa Ines erreichte, konnte er selbst sehen, wie sehr sich die Lage in Mexiko verschlimmert hatte. Todesangst hatte das ganze Tal ergriffen, und erst jetzt begriff er wirklich, wovon die Männer auf dem Güterwagen gesprochen hatten. Ein Gefühl der Empörung stieg in ihm auf, als Serafina die Kinder um sich versammelte, um ihn willkommen zu heißen, und der älteste Junge ihm von Oberst Salcedos Überfall auf das Tal erzählte.
»Er fing beim Wasserfall an«, berichtete Victoriano. Die Leute im Tal liebten es, ihren Kindern Heldennamen zu geben; der andere Junge hieß Triunfador. »Bei den Minen erschoß er jeden, der für kürzere Arbeitszeit eingetreten war, und in Santa Ines erschoß er einen Mann und eine Frau, die etwas gegen die Kirche gesagt hatten.«
»Was haben sie denn gesagt?«
»Daß es unrecht wäre, für die Ausschmückung der Kirche so viel Geld auszugeben, wenn zur gleichen Zeit Menschen verhungerten. Salcedo stellte die zwei Leute an die Kirchentür und erschoß sie.«
»Ich hoffe, ihr beide habt den Mund gehalten«, sagte er zu Victoriano, einem lebhaften Jungen von fünfzehn Jahren.
Tranquilino ging Vater Gravez besuchen, der schon weiße Haare hatte und ganz gebückt ging, und fragte ihn, warum Salcedo wohl immer noch an dem Tal Rache übe. »Er ist ein Wahnsinniger«, antwortete der Priester, »aber jetzt scheinen ja alle in Mexiko wahnsinnig geworden zu sein. Hast du schon gehört, daß General Terrazas geflohen ist? Ja, er lebt im Exil, in Texas.«
»Und dabei hat ganz Chihuahua ihm gehört«, sagte Tranquilino.
»Er hat geglaubt, daß es ihm gehört. Ich habe das auch geglaubt. Als er vor Jahren einmal in den Vereinigten Staaten war, fragte ihn ein Reporter: >Sind Sie aus Chihuahua?< Und er antwortete: >Ich bin Chihuahua.< Und das war er wirklich. Die amerikanische Armee richtete einmal eine Anfrage an ihn, ob er ihr fünftausend Pferde liefern könne. Es war als Scherz gemeint, denn sie hielten es für unmöglich, daß ein Mann so viele Pferde besitzen könne, aber General Terrazas antwortete: >Welche Farbe?<«
»Warum ist er geflohen?« fragte Tranquilino. Daß ein Mann wie General Terrazas geflohen sein konnte, wollte ihm nicht in
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