Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
besser an den Gedanken, dass jeder von uns ab sofort wieder seine eigenen Wege geht. Ab sofort sind wir beide wieder allein. Jonathan ist vielleicht froh, mir endlich keine Rechenschaft mehr schuldig zu sein. So wie er vorhin aussah, will er vermutlich genau das – wieder frei sein. Aber ich fühle mich einfach nur leer und unglücklich, so als hätte man mir einen Teil aus dem Herzen gerissen, den Teil, der mein Glück ausmacht.
Erst jetzt, nach der ganzen Zeit, schießen mir Tränen in die Augen, aber ich schlucke sie runter, weil ich mir hier, im Büro, nicht die Blöße geben will zu weinen.
Mit einem tiefen Seufzen setze ich mich wieder an meinem Computer und stelle die Diagramme fertig, die ich angefangen hatte, füge sie in die Berichte ein und schreibe alle nötigen Memos. Dann mache ich mich auf den Weg in Indira Ambanis Büro, um die Konsequenzen zu ziehen, auch wenn sie unglaublich schmerzhaft sein werden.
24
»Ist es hier?«
Der Taxifahrer deutet auf die weiße Front von Jonathans Stadtvilla in Knightsbridge. Als ich nicke, parkt er direkt vor dem Tor, und ich bezahle ihn. Er steigt mit mir zusammen aus und hilft mir mit dem Gepäck, wuchtet meinen riesigen schwarzen Koffer aus dem Kofferraum und reicht mir anschließend noch die leere Reisetasche, die Annie mir zum Glück leihen konnte.
Dann setzt er sich wieder hinter das Steuer und fährt weiter, und ich bleibe zurück und betrachte noch ein letztes Mal das Haus, lasse das Bild auf mich wirken.
Die anderen Häuser schließen sich direkt an Jonathans an – es gibt auf der ganzen Straße keine freistehenden Häuser –, aber dennoch sticht die weiße Fassade seiner Villa besonders hervor – genauso wie er an jenem Morgen aus der Masse der Leute hervorstach, als ich in London ankam und ihn am Flughafen das erste Mal sah.
Ich gebe mir einen Ruck und öffne das Tor in dem schmiedeeisernen Zaun, der den kleinen Vorplatz vor dem Haus umgibt, laufe mit meinem schweren Koffer im Schlepptau und der Tasche in der Hand die letzten Schritte bis zur Tür. Die Klingel – ein angenehmer Gong – hallt laut durch das Haus, und dann höre ich zu meiner Erleichterung Schritte. Jonathan Haushälterin Mrs Matthews ist um diese Zeit normalerweise da, aber ganz sicher konnte ich mir nicht sein, und ohne sie komme ich nicht ins Haus.
Als sie einen Moment später – in ihrem üblichen Putzkittel – die Tür öffnet und mich erkennt, lächelt sie erfreut.
»Miss Lawson!«, ruft sie, sieht aber gleich anschließend bestürzt aus, weil sie mich enttäuschen muss. »Mr Huntington ist gar nicht da – er ist auf Geschäftsreise und kommt erst nächste Woche zurück. Wussten Sie das nicht?«
Ich erwidere ihr Lächeln schwach. »Doch«, antworte ich. »Ich wollte auch nur kurz meine Sachen abholen. Darf ich reinkommen?«
»Natürlich!« Sie tritt zur Seite, damit ich an ihr vorbei ins Haus gehen kann. Den dicken Koffer lasse ich im Eingangsbereich hinter der Tür stehen, aber die Tasche nehme ich mit.
Während ich Mrs Matthews die Treppe hinauf folge, sauge ich noch einmal sehnsüchtig jedes Detail in mich auf – die geschmackvolle, moderne Einrichtung, die Bilder an den Wänden und die viele Skulpturen aus Jonathans Kunstsammlung, das alte Klavier im Salon, das zwischen all den neuen Sachen wie ein Anachronismus wirkt und von dem ich inzwischen weiß, dass es früher seiner Mutter gehört hat.
»Fahren Sie zu Mr Huntington?«, erkundigt sich Mrs Matthews, als wir das Esszimmer erreichen. Sie muss zurück in die angrenzende Küche – ich sehe einen Putzeimer auf dem Boden stehen und einen Wischmopp am Türrahmen lehnen, also ist sie dort gerade beschäftigt –, aber offenbar treibt sie jetzt doch um, warum genau ich meine Sachen abholen will. Wahrscheinlich, weil ihr aufgefallen ist, wie schlecht es mir geht. Das sieht man mir an, zumindest wenn ich nach den vielen Kommentaren gehe, die ich mir gestern deswegen im Büro und von Annie und Ian anhören musste.
Ich schüttele den Kopf. »Nein, ich fliege zurück nach Amerika«, sage ich, ohne ihr weitere Erklärungen zu liefern, aber sie kann es sich vermutlich denken, denn in ihrem Blick liegt eine Mischung aus Bedauern und Mitgefühl, als sie jetzt auf die Treppe deutet.
»Sie kennen sich hier ja aus«, sagt sie und kehrt in die Küche zurück, um mit dem weiterzumachen, bei dem mein Klingeln sie aufgeschreckt hat.
Ich sehe ihr noch kurz nach, bevor ich mich auf den Weg nach oben ins Schlafzimmer mache. Alles
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