Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Aber warte, ich kann dir auch seine Nummer geben.« Er zückt sein Handy und sucht sie mir heraus, und ich speichere sie in mein Smartphone ein.
»Du kannst es direkt versuchen, wenn du willst. Ich warte so lange«, bietet Andrew mir an, doch ich schüttele den Kopf.
»Nein, ich glaube, ich rede lieber persönlich mit ihm. Ich fahre einfach nachher zur Uni und sehe nach, ob und wann er dort ist.«
»Wenn du meinst.«
Andrew scheint diese Herangehensweise eher zu irritieren. Aber telefonieren will ich mit Matteo Bertani nicht, da wäre es für ihn viel zu leicht, mir einen Korb zu geben. Und außerdem ist es ungewohnt für mich, plötzlich so viel Zeit für mich zu haben, und ich kann das schlechte Gewissen, jeweils nur einen halben Tag zu arbeiten, ganz schlecht abschütteln. Es gibt in dieser Stadt zwar genügend Orte, die ich unbedingt besuchen möchte – gestern zum Beispiel war ich auf dem sehr idyllisch gelegenen Protestantischen Friedhof in Testaccio und habe mir die Grabstätten von John Keats und Joseph Severn angesehen, und meine Liste ist noch lang – aber ein konkretes Ziel zu haben, das etwas mit der Arbeit zu tun hat, fühlt sich viel vertrauter an.
Matteo Bertani wird zwar wahrscheinlich nicht da sein, aber das stört mich im Grunde nicht. Es ist sogar gut, wenn ich noch ein bisschen Zeit habe, mich an den Gedanken zu gewöhnen, ihm wieder gegenüberzustehen.
Andrew trinkt von seinem Tee. »Stimmt es eigentlich, dass Giacomo auch noch eine ganze Menge Zeichnungen hat? Davon wusste ich gar nichts.«
Wir diskutieren eine Weile über Giacomos Sammlung, doch ich bin nicht bei der Sache, muss immer wieder über das nachdenken, was Andrew gesagt hat. Und als er eine halbe Stunde später zu seinem nächsten Termin aufbrechen muss, bleibe ich für einen Moment allein im Innenhof sitzen und starre auf den Stamm der Palme.
Wie hat er das gemeint – wieso ist Matteo Bertani nichts für mich? Ich weiß, dass es albern ist, schließlich habe ich selbst behauptet, dass er mich gar nicht interessieren würde. Aber die Tatsache, dass Andrew es so kategorisch ausschließt, stört mich. Und weckt gleichzeitig meine Neugier.
Entschlossen erhebe ich mich und mache mich auf den Weg zurück in mein Zimmer, um ein bisschen im Internet zu recherchieren, bevor ich mich auf den Weg zur Uni mache. Schließlich schadet es nicht, gut informiert zu sein.
Die Frage ist bloß, ob es auch etwas nützt, denke ich, als ich oben auf meinem Netbook die Suchmaschine aufrufe und das erste Foto von Matteo Bertani auf dem Bildschirm erscheint. Ich kann noch so perfekt vorbereitet sein – diesem Mann wieder gegenüberzutreten, wird trotzdem nicht einfach.
Mit einem Seufzen reiße ich mich von dem Bild los und fange an, den dazugehörigen Artikel zu lesen.
6
Eine gute Stunde später hält das Taxi vor dem Eingang der Città Universitaria , dem Hauptstandort der La Sapienza. Heute ist Donnerstag, also eigentlich ein normaler Wochentag, aber es ist jetzt schon Viertel vor sechs, und ich bin nicht sicher, ob hier um diese Zeit überhaupt noch jemand anzutreffen ist. Es ist ja auch nur ein Versuch, ein Schuss ins Blaue, denke ich, als ich den Fahrer bezahle und hineingehe. Einen Plan habe ich nicht, aber ich gehe davon aus, dass es drinnen irgendwo eine Übersicht über die Gebäude und ihre Verwendung geben wird, an dem ich mich orientieren kann. Es sollte also nicht allzu schwierig sein, das Kunsthistorische Institut zu finden.
Das ist es aber doch, wie sich schon bald herausstellt. Denn als ich den Eingangsbereich verlasse, öffnet sich vor mir ein weitläufiges Gelände, in dem sich ein monumentaler Gebäudekomplex an den nächsten reiht. Wie eine eigene Stadt in der Stadt, denke ich, während ich weitergehe und nach einer Beschilderung Ausschau halte. Und eigentlich ist das auch gar nicht verwunderlich, denn La Sapienza, zu der außerdem noch über hundert Bibliotheken, Museen, Institute und Abteilungen im gesamten Stadtgebiet von Rom gehören, gilt als die größte Universität Europas. Sie soll auch die älteste der Stadt Rom sein, obwohl dieser Teil, die Città , definitiv noch nicht so alt ist. Mussolini hat sie in den 1930ern bauen lassen, wahrscheinlich, wie ich frustriert überlege, um den Studenten durch die klotzige Bauweise ein Gefühl der Demut vor der Wissenschaft zu vermitteln. Aber ich konnte der Architektur der Dreißiger auch noch nie etwas abgewinnen.
Obwohl es schon später Nachmittag ist, finden offenbar
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