Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
zurückgeschoben – hier müssen bis eben noch eine ganze Menge Leute gewesen sein. Nur von Matteo Bertani ist nichts zu sehen. Ist das hier auch wirklich der richtige Raum?
Die jungen Frauen entdecken mich jetzt und unterbrechen ihr Gespräch. Sie sind alle drei dunkelhaarig und sehr hübsch und tragen schicke, aber auch eher knappe Kleidung, Miniröcke, Tops und eine von ihnen einen Jumpsuit. Sie haben vollgepackte Taschen dabei und halten ihre Mappen vor der Brust, fast so, als müssten sie damit noch etwas tun. So als würden sie warten.
» Scusi , dov’è il professore Bertani?«, erkundige ich mich mit einem freundlichen Lächeln bei ihnen. Aber sie reagieren nicht, starren mich nur an, genau wie die anderen drei, die sich jetzt ebenfalls zu mir umgedreht haben.
Okay, denke ich, was habe ich falsch gemacht? Ich weiß, dass mein Italienisch nicht akzentfrei ist, daran arbeite ich noch. Aber der junge Mann gerade hat mich gut verstanden. Wieso gucken die mich alle an, als hätte ich sie nicht mehr alle?
Eine der drei vorne am Pult lächelt jetzt wenigstens. Es sieht allerdings irgendwie mitleidig aus. Dann deutet sie mit der Hand in den Flur.
»Direttamente dietro di te« , sagt sie. Und tatsächlich registriere ich in diesem Moment, dass jemand hinter mir steht, und fahre erschrocken herum.
Matteo Bertani lehnt am Türrahmen, und das offenbar schon etwas länger. Er muss gekommen sein, als ich die Mädchen angesprochen habe. Deshalb haben die mich auch so verblüfft angesehen, als ich nach ihm gefragt habe.
Mit angehaltenem Atem blicke ich zu ihm auf, weil ich vergessen hatte, wie gut er aussieht. Er trägt heute ein helles, enganliegendes Hemd zu einer Anzughose, die bestimmt maßgeschneidert ist, weil sie so toll sitzt. Das Jackett und die Krawatte fehlen, und die Ärmel hat er hochgekrempelt, sodass man seine muskulösen, gebräunten Unterarme sieht – vermutlich ein Zugeständnis an die Wärme und die Tatsache, dass er gerade eine ganze Horde Studenten unterrichtet hat. Dazu passt auch, dass seine Haare diesmal nicht so ordentlich liegen wie bei unserer Begegnung auf dem Empfang. Er scheint schon mehrfach mit der Hand hindurchgefahren zu sein, aber es steht ihm gut, dieses ein ganz klein bisschen Derangierte. Weil es im Grunde nur die lässige, mühelos elegante Art unterstreicht, in der er sich kleidet – genau so, wie man das vom jüngsten Spross einer italienischen Designer-Dynastie erwartet. Die helle Narbe an seinem Hals, die einen Kontrast zu seiner gebräunten Haut bildet, ist eigentlich das Einzige, das nicht in dieses perfekte Bild passt, und wieder frage ich mich, was ihn da verletzt haben mag.
»Miss Conroy.« Seine tiefe Stimme reißt mich aus meinen Gedanken, und ich bemerke erst jetzt, dass ein sehr zufriedenes Lächeln um seine Lippen spielt. »Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie wohl kommen.«
Egal, wie ich mir unsere Begegnung vorher ausgemalt habe – dieser Satz kam nicht darin vor, deshalb brauche ich einen Moment, um mich wieder zu sammeln und den Zorn zu unterdrücken, der bei seiner unglaublich dreisten Bemerkung schon wieder in mir aufsteigt. Hält er sich wirklich für so unwiderstehlich?
Ganz ruhig, Sophie. Du willst etwas von ihm, also lass dich nicht so schnell aus dem Konzept bringen.
»Kann ich Sie kurz sprechen?«, frage ich so neutral wie möglich und lächle, aber nur ganz knapp, was ihm hoffentlich signalisiert, wie wenig ich von seiner unverschämten Art halte.
»Natürlich. Einen Moment«, erwidert er und drückt sich vom Türrahmen ab. Immer noch lächelnd geht er dicht an mir vorbei in den Raum und weiter zum Pult, wo einige Mappen von ihm liegen, wie mir erst jetzt auffällt. Außerdem steht da noch ein Kasten mit Dias neben einem Projektor. Offenbar war er nach dem Ende des Seminars kurz draußen – warum auch immer – und muss jetzt seine Sachen noch holen.
Während ich ihm nachsehe, kann ich nicht umhin, wieder zu bemerken, wie groß und athletisch-durchtrainiert er ist. Aber zu bewundern brauche ich das nicht, das haben schon die Studentinnen übernommen, die ihn mit strahlenden Augen anhimmeln. Sie bestürmen ihn gleichzeitig mit Fragen, zumindest die fünf jungen Frauen – die beiden, die vorne saßen, sind jetzt ebenfalls aufgestanden und haben sich zu den anderen gestellt. Der junge Mann steht dagegen weiter unbeteiligt am Fenster und starrt in sein Smartphone – wahrscheinlich hat er einfach vergessen, wo er ist und warum.
Von den
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