Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
aber auch die Tatsache, dass er keine Kompromisse gemacht hat, ja«, bestätigt er. »Ich mag Menschen, die nicht angepasst sind.«
So wie er selbst, denke ich unwillkürlich. Er ist nicht der Familientradition gefolgt wie seine Brüder, sondern konsequent seinen eigenen Weg gegangen. Und er tut nie, was man von ihm erwartet, auch an der Uni nicht. Laut meiner Internet-Recherche hat er in den letzten Jahren schon mehrfach mit eigenen Thesen den bekannten Koryphäen der Kunstszene widersprochen und konnte diese Auseinandersetzungen meistens für sich entscheiden. Was seinen Ruf gefestigt, aber natürlich auch die Zahl seiner Kritiker erhöht hat. Diese Tatsache scheint ihn jedoch nicht zu stören. Er hält sich also offenbar wirklich nicht gerne an Regeln, genau wie Giacomo es mir bei unserer ersten Begegnung erzählt hat. Ein charmanter Rebell, der Hindernisse weglächelt. Auch mich, wenn es sein muss, denke ich beklommen, und überlege, ob die Bemerkung vielleicht ein versteckter Seitenhieb war.
»Dann bin ich langweilig, weil ich meinen Job ernst nehme und nicht aus meinem Leben ausbreche?«, frage ich und gebe mir diesmal keine Mühe, meine Entrüstung zu verbergen.
Er lacht. »Nein. Mir ist schon lange niemand mehr begegnet, der so wenig langweilig ist wie Sie.«
Es ist ein unerwartetes Kompliment, und ich suche in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf, ob es ehrlich gemeint ist. Was leider dazu führt, dass wir uns auf einmal sehr lange und tief in die Augen sehen. Erst als der Ausdruck in seinen dunkler wird und ich instinktiv darauf reagiere und spüre, dass ich flacher und schneller atme, senke ich hastig den Blick – und bleibe an der Narbe an seinem Hals hängen, die am Rand seines Hemdkragens hervorlugt.
»Was …«, ich schlucke, weil meine Stimme mir nicht gehorchen will, »… was ist Ihnen da eigentlich passiert?«
Die Frage ist mir heute Abend schon mehrfach im Kopf herumgegangen, deshalb liegt sie mir so auf der Zunge, als ich überlege, was ich sagen könnte, um das Schweigen zwischen uns zu brechen. Aber ich hätte sie nicht stellen sollen, das sehe ich sofort, denn sein Gesicht verschließt sich, vollständig und augenblicklich.
»Nichts«, sagt er und zuckt mit den Schultern, weil ihm vermutlich selbst klar ist, dass ich das nicht glauben kann – nicht bei so einer Narbe. »Ein Unfall«, fügt er dann noch hinzu, aber widerwillig, und für einen kurzen Moment flackert etwas in seinem Blick auf – Zorn?
Mit einem Ruck hebt er dann den Kopf und stürzt noch einen großen Schluck Wein herunter, und als er mich danach wieder ansieht, ist der Ausdruck aus seinen Augen verschwunden. Stattdessen lächelt er wieder unverbindlich-charmant, was ihm jedoch nicht so gut gelingt wie sonst.
»Wie lange werden Sie noch brauchen, bis Sie Giacomos Sammlung komplett mit ihm gesichtet haben?«, will er wissen und senkt den Kopf wieder, dreht sein Weinglas in der Hand.
Es ist ganz klar ein Themenwechsel – und einer, der mich theoretisch wieder auf den Boden der Tatsachen holen sollte. Effektiver hätte er mich nämlich nicht daran erinnern können, dass wir nicht wirklich hier sitzen, um uns kennenzulernen, sondern weil er wahrscheinlich immer noch nach einer Möglichkeit sucht, die Auktion und Giacomos Wegzug zu verhindern. Doch im Moment beschäftigt mich viel eher die Art, wie er mir ausweicht. Er will über diesen Unfall nicht reden, es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein wunder Punkt, und gerade deshalb wüsste ich gerne mehr darüber. Doch es ist klar, dass ich von ihm nichts mehr erfahren werde, deshalb antworte ich auf seine Frage.
»Hat Giacomo Ihnen das nicht erzählt? Ich dachte, Sie sprechen so oft mit ihm.«
Matteo hebt den Kopf, sieht mich wieder an. »Er sagt, es dauert noch ein paar Wochen.«
Betont gleichgültig zucke ich mit den Schultern. »Es könnte auch schneller gehen.«
Das stimmt nicht, wir werden definitiv noch einige Zeit brauchen – ich sage das nur, um ihn zu provozieren und ein bisschen aus der Reserve zu locken. Denn wenn ich ihn richtig einschätze, ist genau das sein Albtraum: dass wir zügig fertig sind und den Termin für die Auktion festsetzen können.
Und so ist es auch, denn er schnaubt.
»Hoffentlich nicht.« Seine Stimme klingt schlagartig grimmig, und ich erkenne plötzlich an seinem Gesichtsausdruck, wie tief das alles für ihn geht. Er will auf gar keinen Fall, dass sein Freund Rom verlässt.
»Warum sind Sie eigentlich so vehement gegen Giacomos
Weitere Kostenlose Bücher