Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Umzug?« Ich kann die Frage nicht zurückhalten, genauso wenig wie die Verärgerung, die wegen seiner Sturheit in mir aufsteigt. Sie platzt richtig aus mir heraus. »Finden Sie das nicht sehr egoistisch?«
Seine Augen werden schmal. »Inwiefern?«
»Es ist gut für Giacomo, wenn er bei seiner Familie in England neu anfängt. Das müssten Sie als sein Freund doch am besten wissen.«
Er fixiert mich mit seinen goldenen Augen, in denen ein harter Ausdruck steht, über den auch sein scheinbar amüsiertes Lächeln nicht hinwegtäuschen kann. »Und das können Sie beurteilen, nachdem Sie ihn gerade mal ein paar Tage kennen?«
»Das sagt mir mein gesunder Menschenverstand«, erwidere ich hitzig. »Seine Familie wird ihn ablenken, ihm neue Impulse geben. Das ist eine Chance für ihn. Sonst wird er die Trauer vielleicht niemals überwinden.«
»Tja – und genau das sehe ich eben ein bisschen anders «, widerspricht er mir, und mir fällt ein, dass er mich damit schon wieder zitiert. Auch das habe ich auf dem Empfang zu ihm gesagt – offenbar hat er ein ziemlich gutes Gedächtnis.
»Das ist alles viel zu überstürzt«, fährt er fort. »Es geht ihm gut hier, und ich finde es falsch von ihm, einfach alles aufzugeben, an dem er hängt. Er kann nicht mehr zurück, wenn er erst gegangen ist, weil er dabei ist, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Und das macht mir Sorgen.«
»Aber …«
Er hebt die Hand, unterbricht mich. Sein Blick ist jetzt brennend. Eindringlich. Bohrt sich in meinen. Jetzt lächelt er definitiv nicht mehr.
»Er irrt sich, okay? Und Sie tun das auch, Sophie. Es bringt gar nichts, wenn er nach England geht.«
»Und wieso sind Sie sich da so sicher?«, erwidere ich, erschrocken über seine Vehemenz.
Wieder trinkt er einen großen Schluck von seinem Wein, leert das Glas fast ganz und stellt es dann ziemlich heftig zurück auf den Tisch.
»Weil man vor Erinnerungen nicht weglaufen kann«, sagt er mit einem bitteren Unterton in der Stimme. »Deshalb.«
9
Atemlos starre ich ihn an. Er ist so aufgewühlt, dass er mich zum ersten Mal an diesem Abend wirklich in die Tiefen seiner Bernstein-Augen blicken lässt, und die Intensität der Gefühle, die sich darin spiegeln, erschreckt mich.
Es ist ganz klar, dass er gerade nicht von Giacomo gesprochen hat, sondern von sich selbst. Weil er das Gleiche durchgemacht hat wie sein väterlicher Freund – die Parallele ziehe ich erst in diesem Moment und schlage mir innerlich vor die Stirn. Er war zwar nur drei Jahre verheiratet, nicht über vierzig wie Giacomo, aber er hat auch seine Frau verloren, unter besonders tragischen Umständen sogar. Und ich dämliche Kuh erzähle ihm was von Trauerbewältigung!
Doch der Schmerz, den ich jetzt in seinen Augen sehe, ist anders. In Giacomos Augen liegt nur Trauer, in Matteos dagegen noch etwas anderes – Zorn. Wogegen er sich richtet, kann ich nicht sagen, aber er ist da, gar nicht so weit unter der Oberfläche, lässt ihn den Atem ausstoßen, sodass es wie ein tiefes, gequältes Seufzen klingt.
Und dann ist es vorbei, sein Blick verschließt sich, nimmt wieder diesen unlesbaren Ausdruck an, in dem ich mich spiegele, aber nichts erkenne.
»Entschuldigen Sie«, sagt er und verzieht die Lippen zu einem nun fast schuldbewussten Lächeln. »Das Thema ist ein rotes Tuch für mich.«
Ja, denke ich, aber nicht, weil er sich solche Sorgen um Giacomo macht. Ich will ihm nicht unterstellen, dass er das nicht tut, das ist sicher so. Doch hinter dem Wunsch, ihn zu halten, steckt mehr, es hat auch ganz viel mit ihm selbst zu tun, betrifft diese Seite an ihm, von der ich geahnt habe, dass es sie gibt, und die er mir gerade zum ersten Mal gezeigt hat. Eine Seite, die mich auf eine merkwürdige Art berührt.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen«, erwidere ich und lege aus einem Impuls heraus meine Hand auf seine.
Ich will ihn trösten, mehr nicht, doch als unsere Hände sich berühren, ist es, als würde ich plötzlich nichts anderes mehr spüren als seine warme Haut unter meiner. Seine Hand ist groß, viel größer als meine, und ihre Wärme scheint durch meinen Arm in meinen Körper zu fließen. Das Atmen fällt mir auf einmal schwer. Dumme Idee, Sophie, denke ich und will die Hand zurückziehen, aber er hält sie fest, umschließt sie mit seiner. Für einen Moment steht die Zeit still, während wir uns ansehen.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was Giacomo an Ihnen so schätzt, Sophie«, sagt er weich und streicht über
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