Coltan
des
Thermometers die 35-Grad-Marke. Die Stadt stöhnte und wer nach vier noch an
seinem Schreibtisch saß, galt als Fall für die Rettungssanitäter.
Ihr Foto hing in der Mitte der Pinnwand, Routine.
Dutzenden Leichen hatte ich genauso gegenübergesessen, sie angestarrt,
überlegt, was wohl aus ihnen geworden wäre, wenn nicht - …
Für Mader war sie nur eine junge Frau, Ende zwanzig.
Nichts deutete darauf hin, dass sie leiden musste. Beruhigend, zumindest für
Mader.
Ich presste meine zitternde Hand zwischen die
Oberschenkel. Sie konnte erst wenige Stunden im Wasser gelegen haben. Ihr Mörder
muss sich sicher gefühlt haben, überlegen. Kein Anzeichen für den Versuch, sie
zu verstecken, um Zeit zu gewinnen. Die Gegend war belebt, der Weg zum Wehr
nicht weit. Späte Partygänger, die ins Wasser spucken, frühe Angler, sie waren
ihm einerlei.
Am späten Nachmittag kam der vorläufige
Autopsiebericht. Ihre Lungen waren voll schmutziger Brühe aus dem Flutgraben.
Keine Schleif-, Kratz- oder Kampfspuren. Vermuteter Todeszeitpunkt: zwischen
Mitternacht und ein Uhr morgens. Die Analysen des Mageninhalts und des Blutes
würden erst am nächsten Tag vorliegen. URLAUBSZEIT stand fett auf einem extra
Blatt.
Ich kopierte den Bericht, warf ihn wortlos auf Maders
Schreibtisch und verließ das Büro. Sie kam nicht einmal mehr dazu, tschüss zu sagen.
Als ich die Tür zum Columbiadamm aufzog, schlug
mir eine Welle heißer, subtropischer Luft entgegen.
7
Es war eine gute Woche gewesen. Kambale füllte
den letzten Sack und wuchtete ihn auf den kleinen Karren. Der Karren gehörte
zur Familie wie die Hacke, mit der schon sein Vater das kleine Feld hinter der
Hütte bestellt hatte, 300 Fuß lang, 100 Fuß breit.
Zehn Säcke standen hinter der Hütte, morgen würde
der Aufkäufer kommen, 20, vielleicht sogar 30 Dollar zahlen. Aza konnte gut mit
Geld umgehen. Sie hatten genug, um nicht hungern zu müssen. Und selbst wenn die
Milizen des Vorsitzenden, aber nein, er verdrängte den Gedanken sofort. Kambale
nahm einen Schluck lauwarmen Wassers aus der Plastikflasche und goss sich den
Rest über den Kopf. Vielleicht würde er in der nächsten Woche nach Goma fahren,
seiner Aza zwei oder drei Meter Stoff kaufen.
Er verstaute die Hacke neben dem Sack, legte
den Riemen quer über die Schulter, richte sich auf und begann den Karren den
Hügel hinaufzuziehen. Keine 200 Meter, der Riemen schnitt schmerzhaft in die
Schulter.
Vor dem schwarzen Sand, der so begehrt war auf
der Welt, lag eine lange Reise, länger und weiter als Kambale je gereist war
noch reisen würde. Zuerst Ruanda, dann Europa oder Amerika. Vom Hügel würde er
das Dorf sehen, noch 50 Meter.
Nein, kein Stoff! Aza hatte recht, wie immer. Was
sie brauchten, war ein Moped mit Anhänger. Dann könnten sie in die Stadt
fahren, den schwarzen Sand direkt abliefern, einen besseren Preis erzielen und
endlich einen eigenen Laden eröffnen, vielleicht sogar mit einem Computer.
Bei jedem Schritt suchten seine Füße aufs neue
Halt im lockeren Sandboden, noch ein paar Meter bis zur Straße, die schnurgerade
mit einem leichten Gefälle zum Dorf führte.
Aza wartete bestimmt schon, die Sonne stand
tief am Himmel. Sie hatte ihm Hühnersuppe versprochen. Noch am Morgen war er
auf die Jagd gegangen, er lächelte, Jagd. Die Hühner wohnten in einem Verschlag.
Er hatte den Ausgang mit einer Platte versperrt und dann blindlings in die
wartende Hühnerschar gegriffen, ein kurzes Flattern, ein Schlag mit der Axt.
Plötzlich schmeckte die Luft anders. Kambale Ngobobo,
der dritte Sohn seines Vaters, kannte diesen Geschmack. Die Luft schmeckte nach
Pickups. Nach den Männern des Vorsitzenden. Vielleicht würden sie ihm
einen Sack abnehmen, vielleicht auch beide, als Zoll oder Schutzgebühr.
Er konnte sie nicht sehen, aber er war sich
sicher. Er konnte auch seine Hütte nicht sehen, am andern Ende des Dorfes.
Kambale beschloss, schneller zu gehen. Der Riemen scheuerte die Haut wund,
Schweißströme liefen ihm über den Rücken.
Der Aufkäufer, alle nannten ihn nur Sam, hatte
ihm erzählt, mit dem Sand würden sie in Europa diese kleinen Telefone bauen.
Aza hatte eine Lieblingsgeschichte, sie zog die
Nasenflügel hoch, legte den Kopf in den Nacken und erzählte von dieser Frau,
die all ihre Ersparnisse genommen und sich ein Telefon gekauft hatte. Alle Dorfbewohner
seien dann zu ihr gekommen, um zu telefonieren. Und heute habe die Frau einen
Laden und einen Toyota. Und für das Telefon
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