Columbus war ein Englaender
Freund meiner Eltern sei. Er hege keinen Zweifel, daß das hohe Haus den Bericht des Bewährungshelfers gebührend berücksichtigen würde, und hoffe, man würde auch die aufrichtig empfundene Reue und Besserungsbereitschaft eines intelligenten Jungen in Erwägung ziehen, dessen Abkehr vom rechten Weg eher als ein Akt jugendlicher Rebellion zu sehen sei, als daß er eine Gefahr für die Gesellschaft darstelle. Gewiß sei er sich auch darin, daß das Gericht die starke, ungeteilte Liebe seiner Eltern ebensowenig unterschlagen werde wie das ehrliche Versprechen eines jungen, gebildeten Mannes, seine Kräfte an diesem entscheidenden Wendepunkt seines Lebens in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, von der er sich in einem vorübergehenden Anfall jugendlicher Auflehnung abgewandt hatte.
Mit einem Aufwallen seines schwarzen Talars nahm Oliver Platz. Die drei Richter nickten einander zu und fragten den Bewährungshelfer, Mr. White, dessen Bericht sie gelesen hatten, welches Strafmaß er für angemessen hielte.
White war ein Goldstück, indem er sagte, in Anbetracht der von mir bereits abgeleisteten längeren Untersuchungshaft sähe er keinen Grund, der gegen die Verhängung einer zweijährigen Bewährungsstrafe spräche.
»Und wo soll er wohnen?«
Popplewell erhob sich. »Bei seinen Eltern, Euer Ehren, die dafür sorgen werden, daß er sämtliche Auflagen einhält, die das Gericht für nötig erachtet.«
Weiteres Kopfnicken und Gemurmel, bevor der Richter in der Mitte sich räusperte und mich scharf anblickte.
»Stehen Sie bitte auf. Sie haben ein außergewöhnlich priviligiertesLeben geführt, junger Mann. Sie haben eine kostspielige Erziehung genossen und die Geduld und Fürsorge Ihrer Umwelt mit Unredlichkeit und Betrug entgolten. Eins sei klargestellt, bei den hier verhandelten Straftaten handelt es sich nicht um Dumme-Jungen-Streiche, sondern um ernsthafte Vergehen. In Anbetracht des Berichts Ihres Bewährungshelfers und verschiedener weiterer Auskünfte hat das Gericht entschieden, eine zweijährige Bewährungsstrafe zu verhängen, die Sie im Haus Ihrer Eltern ...«
An den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war nicht im Knast, in der Besserungsanstalt oder im Erziehungsheim gelandet, allein das zählte, praktisch gesehen war ich ein freier Mensch.
Ich drehte mich ein wenig auf der Anklagebank zur Seite und erblickte meine Mutter, in deren Augen Tränen glänzten. Ich fragte mich, was ich jetzt tun würde?
Eine halbe Ewigkeit grübelte ich über diese Frage nach, als wäre ich ein anderer, ein Fremder, der mich voller Neugier und Verwirrung beobachtete.
Die lange Rückfahrt nach Norfolk verlief ungezwungen und entspannt. Ich weiß nicht, was meine Eltern sich als nächstes vorstellten. Ich denke aber, sie wußten genau, daß sie nichts erzwingen konnten. Meine Mutter, als die optimistischere von beiden, glaubte zweifellos, von nun an könne es nur aufwärts gehen.
Zu Hause fiel ich meiner Schwester um den Hals. Sie hatte mich verflucht für den Schmerz, den ich meiner Mutter zugefügt hatte, und auch für die niedergedrückte Stimmung, die während meiner Abwesenheit in Booton geherrscht hatte, aber jetzt drückte sie mich unter Tränen an sich und verzieh mir. Roger, mit militärisch kurz geschorenen Haaren, schüttelte den Kopf und nannte mich eine Flachpfeife.
Als erstes stand der Besuch des hiesigen Bewährungshelfers auf dem Programm, den das Gericht mir zugewiesen hatte. Erhieß Boyce und hatte einen schneeweißen Bart. Wenn ich mich recht entsinne, mußte ich mich zunächst einmal in der Woche bei ihm blicken lassen und mit ihm plaudern. Er ermunterte mich zu schreiben, während ich mir über meine Zukunft Gedanken machte, woraufhin ich eine befremdliche Neufassung des griechischen Mythos von Theseus und Prokrustes zu Papier brachte. Ich werde mich hüten, in dem Ameisenhaufen der damit verbundenen psychologischen Implikationen herumzustochern, sondern das Ganze brav in Ruhe lassen. Ich gab mein Werk Boyce zu lesen, der es mir mit den Worten zurückgab, er werde daraus von vorne bis hinten nicht schlau. Genau wie ich, wenn ich heute darin herumblättere.
Weitaus dringlicher war die Entdeckung, daß der letzte Einschreibtermin für das Norwich City College näherrückte. Sie boten ein einjähriges A-Level-Studium in fast allen Hauptfächern an. Ich machte mich also auf die Socken und landete im Büro eines blinzelnden kleinen Männchens, das für die Einschreibung in den
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