Columbus
steht die Todesstrafe! Als sich drei Seeleute einmal mit nautischen Informationen nach Spanien, dem gröÃten Seefahrtsrivalen Portugals, absetzen wollen, werden sie eingefangen und öffentlich gevierteilt.
Bartolomeo steht demnach unter strengster Schweigepflicht. Trotzdem. Sein Bruder wird ihm sicher gern geholfen haben, die Fülle der Aufträge zu bewältigen - und die Informationen sog er bestimmt begierig auf. Dem untrüglichen Gedächtnis des jungen Cristovao Colom prägt sich vieles für immer ein.
Nun ist nicht jede Seereise offiziell. Aber alle Kapitäne brauchten Karten zum Navigieren und bestimmt gab es einen regen Schwarzmarkt mit Informationen. Haben die Columbus-Brüder da mitgemischt? In den Tavernen am Tejo brodelten zudem die Gerüchte. Inseln im Meer will man bei günstigem Wetter gesichtet haben, fast mit den Händen zu greifen, fremdartige Samen und Früchte werden an der Atlantikküste angetrieben, jemand will sogar die Leiche eines braunen Menschen gesehen haben, die an Land gespült worden ist. Und immer mehr verdichtet sich die Ahnung: Da drauÃen ist etwas. Ein unbekanntes Land, eine andere Welt. Aber was für eine?
Eine diffuse Aufbruchstimmung herrscht, eine seltsame Unruhe. Man könnte ja etwas verpassen, wenn man nicht als Erster im Unbekannten landet. Gold, Geld, Schätze, Ruhm, Abenteuer liegen in der Luft. Ãber hundert Buchhändler landesweit verkaufen Bücher und Reiseberichte der fantastischsten Art.
Er, Columbus, saugt alles auf wie ein Schwamm.
Eine Vernunftehe?
Felipa Moniz Perestrilla geht als gute Christin - gemeinsam mit ihrer Mutter - jeden Morgen in die Messe im Kloster der Heiligen, das am Lissaboner Tejo-Ufer liegt. Sie kennt sich dort gut aus, denn sie hat eine Weile in dem dortigen Internat für adlige junge Mädchen gelebt.
Dass Felipa mit ihren fünfundzwanzig Jahren noch nicht verheiratet ist (damals galt man in diesem Alter schon als alte Jungfer), hat mehr als einen Grund. Nein, sie ist nicht etwa hässlich! Sie ist sogar von Adel. Aber sie ist arm. Ihre Mutter ist seit zwanzig Jahren verwitwet. Der Vater, einst Statthalter der kleinen Insel Porto Santo bei Madeira, ist tot und hat leider nicht genug hinterlassen, um seine Tochter gut auszustatten.
Das Kloster ist eigentlich ein Ort der Stille. Aber im Winter, wenn die Schifffahrt zum Erliegen kommt, füllt sich die kleine Klosterkirche zu den Gottesdiensten mit mehr oder weniger verwegenen Gestalten, die da um Vergebung für die Sünden flehen, die sie den Sommer über begangen haben. Dann weià man: Die Matrosen sind wieder in der Stadt.
Unter den Männern, die regelmäÃig in den kalten Monaten zur Messe kommen, fällt Felipa ein hoch gewachsener, gut aussehender Mann auf - zunächst deshalb, weil er trotz seiner Jugend schon fast weiÃe Haare hat. Dann bemerkt sie, dass ihre verstohlenen Blicke durchaus Erwiderung finden â¦
(Flirts und Eheanbahnungen via Kirche und Gottesdienst waren eine der wenigen Möglichkeiten, die die jungen Frauen dieses Jahrhunderts hatten, um nach einem Mann Ausschau zu halten; ansonsten saà man sittsam zu Haus.)
Irgendwann in diesem Winter ist es dann so weit: Der fremde Seemann steht »zufällig« an der Kirchentür, als Felipa mit ihrer Mutter erscheint. Er zieht das Barett, verneigt sich formvollendet und fragt, ob er den Damen das Weihwasser reichen dürfe? Als Kavalier hat man nämlich auf diese Weise eine Möglichkeit anzubandeln: das Weihwasserbecken, in das jeder beim Betreten der Kirche die Finger taucht, um sich zu bekreuzigen! Man benetzt galant die eigenen Finger und die Dame berührt dann mit ihrer Hand die des Mannes und »nimmt das Wasser«. (Woher übrigens das Sprichwort rührt: jemandem das Wasser reichen!) Hautkontakt! Blickkontakt! Eine aufregende Sache; und eine fromme Tat obendrein.
Eins gibt das andere. Irgendwann gestattet Felipas Mutter, dass nach spanischer Sitte das Mädchen abends - für ein halbes Stündchen - hinter den holzgeschnitzten Fenstergittern erscheint und ein wenig mit dem Mann plaudert, der ihr den Hof macht. Vielleicht bringt Señor Colom mal ein Geschenk mit: ein Buch mit spannenden Beschreibungen von fremden Ländern; schlieÃlich kann Felipa lesen! Das ist bei Mädchen, zumindest bei christlichen, höchst ungewöhnlich.
Der junge Mann gerät in Felipas Gegenwart regelrecht ins Schwärmen, wenn er
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