Columbus
von den Gegenden berichtet, die es noch zu entdecken gibt. Ein gewisser Marco Polo aus Venedig behauptet, er habe auf dem Landweg eine Reise nach Kathai und Zipangu (China und Japan) unternommen. Wahrheit oder Flunkerei? Darüber gibt es für Señor Colom gar keinen Zweifel. Natürlich war der da! Natürlich existieren diese Länder! Wer nicht daran glaubt, ist einfach nur ein Ignorant. Er kann sich da so ereifern, dass Felipa fast einen Schrecken bekommt.
Und dann geschieht das Unglaubliche: Der einfache Kartenzeichner und Seemann hält um die Hand einer jungen Frau von Adel an - und erhält das Jawort!
Ich mühe mich vergeblich ab, einen Vergleich zu finden, an dem man erklären könnte, was für eine gesellschaftliche Brüskierung das dazumal ist. Die Standesgrenzen waren eigentlich unüberbrückbar, und wenn man sie übersprang, dann höchstens in der Form eines Seitensprungs, aber nicht mit kirchlichem Segen.
Wieder so ein Columbus-Rätsel! Die Forscher haben sich natürlich in die Spur begeben. Es galt, die Ahnentafel der Doña Felipa Moniz zu überprüfen. Und siehe da: Sie entdeckten in der mütterlichen Linie tatsächlich Marranen, »Neuchristen«.
Marranen heirateten untereinander. Und die geheime jüdische Gemeinschaft in Lissabon wird sehr wohl gewusst haben, wer zu ihr gehört. Vielleicht hat ja Felipa deshalb so lange auf einen Bräutigam warten müssen - nicht nur wegen ihrer Mittellosigkeit.
Ich kann mir gut vorstellen, dass nach der christlichen Trauung 1478 in der Kirche des Klosters zu den Heiligen man im kleinen Kreis noch nach altem jüdischen Brauch das Paar unter den Hochzeitsbaldachin gestellt hat. Vorher hat man mit Gewissheit sorgfältig die Fenster zugehängt und die »rein christliche« Dienerschaft unter irgendeinem Vorwand aus dem Haus geschickt. Die Brautleute werden unter dem Baldachin nach altem Brauch gemeinsam aus demselben Weinbecher getrunken haben, um ihre Verbundenheit symbolisch zur Schau zu stellen. Und dann wird Columbus seiner Braut einen Goldreif an den Finger gesteckt haben mit den Worten: »Mit diesem Ring bist du mir angetraut nach dem Gesetz Mosesâ und Israels. Baruch Haschem, gepriesen sei der Name des Herrn.«
Felipa hat gewiss tiefe Zuneigung, vielleicht sogar eine Art scheuer Verehrung empfunden für diesen interessanten Mann, der irgendwie so anders ist als alle anderen, halb Praktiker, Seefahrer, Kaufmann, halb Studierter, Gelehrter, Kartenzeichner - und Träumer.
Und Columbus? Nein, seine groÃe, seine weltbewegende Liebe ist das sicher nicht. Er mag Felipa, er findet sie hübsch, sie ist sogar gebildet. Und dann bringt sie noch etwas in die Ehe ein: eine Insel im Atlantik.
Wie das?, fragt man. Wir erinnern uns vielleicht: Der vor zwanzig Jahren verstorbene Herr Papa Felipas war Statthalter einer kleinen Insel bei Madeira gewesen. Ein erblicher Posten. Da es in Portugal offensichtlich nicht angeht, dass eine Frau, also die Witwe, solche Aufgaben übernimmt, war Felipas Onkel dort Verwalter gewesen. Jetzt kann der frisch gebackene Ehemann der jungen Frau als Vertreter des Statthalters diese Aufgabe übernehmen. Der Herr Onkel hat inzwischen den Inselkoller und will zurück nach Lissabon, unter Menschen.
Man reist also ab.
Insel im Atlantik - Glück oder Unglück?
Die Insel heiÃt Porto Santo. Sie ist fünfzehn Kilometer lang und fünf breit und sie erweist sich als der Gipfel der Trostlosigkeit. Karge Hügel, ausgetrocknete Schluchten und das Ganze wird umbraust von der gewaltigen Brandung des Atlantiks. Die »Untertanen«, über die Columbus gebietet, sind ein paar Bauern und Gärtner. Die Hälfte der männlichen Bevölkerung fährt zur See, der Rest verdient seinen kargen Unterhalt durch den Verkauf von Proviant an die Schiffe, die vorbeikommen.
Eine herbe Enttäuschung, diese Inselstatthalterschaft! Kein Wunder also, dass Cristovao Colom sich mehr auswärts als zu Haus aufhält. Er heuert auf Schiffen an, versucht, auf der gröÃeren und fruchtbareren Nachbarinsel Madeira Geschäfte zu machen, und ist hin und wieder bei Bruder Bartolomeo in Lissabon. Die Tatsache, dass 1480 sein Sohn Diego geboren wird, hält ihn auch nicht im Haus. Wenn er winters über wirklich da ist, ist er kaum ansprechbar. Unermüdlich studiert er die stattliche Bibliothek, die Felipas Onkel gegen die bohrende Langeweile seines
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