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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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erhebt sich, geht in dem kleinen Raum auf und ab.
    Â»Cristobal!«, stöhnt der Kranke. »Wenn ich mit Gottes Hilfe genese - versprich mir, dass du mich nach Portugal bringst? Ich muss bei der Junta des Königs vorstellig werden. Man wird mich mit Gold überschütten...«
    Â»Ich verspreche es.«
    Pedro dreht sich mit einem tiefen Seufzer zur Seite. Columbus schlägt das Kreuz über ihn. Als er eine Stunde später wieder nach dem Navigator sieht, ist der tot. Stillschweigend nimmt unser Mann den Seesack des Toten an sich. Ein dickes Bordbuch. Skizzen von Landmarken, Ankerplätzen, Flussmündungen, Wasserstellen, Nahrungsquellen. Kursangaben.
    Keine zwanzig Tage. Ruhm, Ehre und Gold. Endlich weiß er, warum er so oft an der Westküste gestanden und übers Wasser gestarrt hat.
    Der Priester von Porto Santo begräbt die vier Gestrandeten. Nur Columbus geht hinter ihren Särgen her.

Die innere Gewissheit
    Irgendwann in dieser Inselzeit stirbt auch Felipa. Wir wissen nicht, woran und wann genau. Schließlich war diese Frau auch nicht die große Liebe unseres Seefahrers - von ihr, der großen Liebe, werden wir noch viel hören.
    Nun hält nichts mehr Columbus auf dem öden Eiland - es hat ihm gegeben, was er brauchte, hat ihm die Gewissheit geschenkt, dass etwas möglich ist, was andere nur für eine Erfindung, für »Science-Fiction« halten: Man kann das Meer in Richtung Westen überqueren, um die Länder im Osten zu erreichen!
    Wäre er nichts weiter gewesen als ein Fantast, hätte er wohl ein Schiff ausrüsten und allein lossegeln können. Aber es geht ihm nicht darum, einen Beweis an sich anzutreten. Fest angekoppelt an den Plan, der in ihm reift, sind die Begriffe Ruhm, Ehre und Gold. Das bedeutet: Das Unternehmen, wenn es denn je stattfindet, muss einen offiziellen Anstrich haben. Er braucht die Unterstützung der Großen dieser Welt.
    Mit seinem Sohn Diego verlässt er Porto Santo und schifft sich nach Lissabon ein, zu Bruder Bartolomeo. Der Kartenzeichner hat Zugang zu allen nur verfügbaren Materialien auf dem Gebiet der Geografie und Kosmologie. Die beiden Brüder vertiefen sich in die wichtigsten Werke der damaligen gelehrten Welt.
    Columbus weiß ganz genau: Vor allem muss er einen potenziellen Auftraggeber davon überzeugen, dass die Reise nach »Indien« überhaupt von der Entfernung her zu bewältigen ist. Und da gibt es die unterschiedlichsten Meinungen. Natürlich ist alles Spekulation! Sowohl die Angaben Marco Polos (der ja nur zu Fuß unterwegs war) als auch die berühmte Seekarte eines italienischen Wissenschaftlers namens Toscanelli sind zum großen Teil Fantasie und Schneegestöber. Aber letztlich hat unser Seefahrer eine Gewissheit: Jemand hatte es geschafft. In zwanzig Tagen, so hat ihm der sterbende Navigator anvertraut, hat er die anderen Inseln erreicht. Das ist seine Richtschnur. (Dass er die Portolanen und Faustskizzen des Pedro niemandem als Bartolomeo gezeigt hat, versteht sich von selbst - die portugiesische Krone hätte sie sofort beschlagnahmt, denn dergleichen gehörte, wie wir wissen, dem Staat.)
    Cristobal und Bartolomeo wühlen sich also durch die gesamte bekannte Literatur. Für Columbus ist nur eins wichtig: die Entfernung möglichst gering zu halten, damit die Überfahrt in den Bereich des Wahrscheinlichen rückt. Großzügig rundet er also die angegebene Entfernung nach unten ab.
    Die »wissenschaftlichen Beweise«, die die Brüder zusammentragen, sind wahre Meisterwerke des Wunschdenkens. Als stärkstes Geschütz fährt Columbus schließlich die Autorität aller Autoritäten auf: die Heilige Schrift. Im Buch Esra des Alten (also des jüdischen) Testaments steht nämlich geschrieben, dass der Herr die Erde aus sechs Teilen Erde und einem Teil Wasser geschaffen hat. Er belässt es bewusst bei der allgemeinen Annahme, dass es nur eine solche Wasserfläche gibt, und errechnet messerscharf, dass zwischen den Afrika vorgelagerten Kanarischen Inseln und dem Land im Westen lediglich eine Entfernung von 750 Leguas (2400 Seemeilen) klafft.
    Das konnte eine gut ausgerüstete Karavelle durchaus bewältigen.
    Columbus hat also gemogelt. Ob er nur die anderen beschwindelte oder sich selbst auch, das wird ewig unklar bleiben. Aber wir dürfen annehmen, dass er durch Herkunft und Lebensumstände ein Mensch war, der sich selbst stets neu

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