Columbus
bestätigen und »erfinden« musste. Seine Visionen basierten auf Realitäten - zumindest in den Hauptzügen. Er war kein Spinner. Er war ein Praktiker.
Nun gilt es, das Konzept dem portugiesischen König, Johann II., vorzulegen.
Die beiden jüdischen Leibärzte des Königs, Magister Rodrigo und Magister Joseph, die zugleich als Hofastronomen arbeiten, sind mit Bartolomeo bekannt. Sie legen sich für die Brüder Colom ins Mittel. Cristovao bekommt seine Audienz.
Leider ist der Zeitpunkt denkbar schlecht gewählt. Zum einen hat Johann andere Probleme. Der Adel des Landes ist oft reicher und mächtiger als er, er muss sich ständig wehren. (Gerade hat er seinen konspirativen Schwager, der eine Adelsrevolte anführen wollte, kurz und bündig eigenhändig erstochen!) Und zum anderen: Er ist ja ganz zufrieden mit den Erfolgen seiner Handelsmarine, die nun bereits längs der afrikanischen Küste nach Indien schippert. Warum also noch einen anderen Seeweg finden?
Trotzdem hört er sich den seltsamen Seefahrer aufmerksam an. Besonders beeindruckt ihn natürlich die VerheiÃung, Columbus wolle »vom Glück begünstigte Länder« entdecken, ȟberaus reich an Gold und Silber und Edelsteinen«.
Johann übergibt die Schriften dieses Seefahrers, der da so stolz und selbstbewusst auftritt, seiner Junta zur Prüfung. Die Prüfung fällt negativ aus.
Dennoch muss Johann es für wert gehalten haben, die Ideen praktisch auszuprobieren. Insgeheim schickt er von den Kanaren eine Karavelle nach Westen aus, das ozeanische Meer zu erkunden. Aber der Kapitän kehrt um, ohne etwas gefunden zu haben. Er hatte eben nicht den Durchhaltewillen und die innere Gewissheit des Columbus.
Dieser, als er von dieser Geheimmission erfährt, ist tief gekränkt und empört vom Misstrauen und der Heimlichtuerei des Königs. Bei Nacht und Nebel macht er sich mit seinem Söhnchen davon nach Spanien.
Die Chronisten behaupten allerdings, es habe noch einen anderen Grund für den überstürzten Aufbruch gegeben. Irgendetwas war da vorgefallen. In einem Brief von 1488, den König Johannes an Columbus schreibt, sichert er ihm eine Generalamnestie zu, falls er zurückkommen wolle. Aber was hat er verbrochen? Darüber schweigen die Quellen, und der Entdecker selbst ist, wie wir ja inzwischen wissen, alles andere als gesprächig, wenn es um seine Biografie geht - auÃer, er will uns etwas vormachen.
Ein denkbares Verbrechen könnte gewesen sein, dass er einiges an portugiesischen Seekarten mitgenommen hat; zumindest galt er auf jeden Fall, durch seine Arbeit mit Bartolomeo, als Geheimnisträger. Solche Leute lässt man nicht gern ins Ausland, seien sie nun damals Kartografen oder heute Atomphysiker.
Eine glückliche Fügung
Im Herbst 1484 passiert ein Küstenschoner die Mündung des Guadalquivir in Spanien und bewegt sich vorsichtig durch die Sandbänke und das breite Delta der Flussmündung; Seen und Sümpfe damals, Marschland, Wohnsitz von Wölfen und Wildschweinen. Der hoch gewachsene Passagier mit dem weiÃen Haarschopf nimmt seinen kleinen Sohn an die Hand und tritt mit ihm an die Reling.
»Sieh einmal, da!«
»Rosa Vögel!« Der Junge klatscht vor Begeisterung in die Hände, und schon erhebt sich ein riesiger Schwarm von Flamingos, die wie eine rötliche Wolke die Sonne verdunkeln. Columbus lächelt und schlingt den Arm um den Jungen. Mehr als die Flamingos interessiert ihn, nachdem sie die Sandbänke passiert haben, was da an Schiffen vor Anker liegt. In den Häfen von Huelva, Moguer und Palos sind die spanischen Kaperschiffe stationiert. Bord an Bord die prächtigsten Karavellen - wenn er nur drei davon hätte und das genügende Kapital, würde er der Welt beweisen, dass seine Theorien keine Hirngespinste sind. Indessen jagen diese Schiffe weiter die Portugiesen, obwohl ja wohl Frieden ist zwischen den beiden Ländern.
In Huelva gehen die beiden Reisenden an Land.
»Ich bin müde. Und ich habe Hunger«, sagt Diego. »Und mir wackeln die Knie nach dem Geschaukel auf dem Schiff.«
Columbus nickt. Der Junge braucht Ruhe.
Auf der Landspitze am schlammigen Ufer da drüben erblickt er einen Glockenturm. Eine Franziskanerabtei. »Die Brüder sind barmherzig. Sie werden uns bestimmt Quartier gewähren«, verspricht er dem Sohn. Der Seesack, den er über der Schulter trägt,
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