Columbus
Mönche des Dominikanerordens, maÃgebliche Drahtzieher eines gespenstischen Theaters, entwickeln zwanzig Regeln, nach denen man einen verkappten Juden erkennen kann - von den speziellen Gewohnheiten (es reicht schon, am Freitag, dem christlichen Fastentag, Fleisch zu essen!) bis zu bestimmten Redewendungen oder dem Aussehen.
Die Regeln werden freudig angenommen. »Seid wachsam!«, heiÃt die Parole. Und das sind die braven Gläubigen in der Tat. Das Spitzelwesen blüht. Samstags steigt man auf die Dächer der Verdächtigen und beobachtet die Schornsteine. Wenn kein Rauch aufsteigt, heiÃt das: Dieser Marrane hängt dem jüdischen Ritus an, der bekanntlich verbietet, dass am Sabbat gekocht wird! Und die Anklage ist fertig.
Soweit ich weiÃ, ist es das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass man Denunzianten mit einem Orden geehrt hat. Stolz trugen sie ihn auf der Brust: einen Dolch zwischen Kreuz und Ãlzweig und auch die Häuser der Angeber wurden mit diesem Emblem verziert. Das Kreuz steht für den christlichen Glauben, der Dolch für dessen wehrhafte Verteidigung, der Ãlzweig für den daraus resultierenden Frieden.
Es beginnt ein Höllentanz. Jeder verdächtigt jeden. Das Misstrauen dringt in jeden Winkel, vergiftet nachbarliche Beziehungen, lässt die Menschen einander beargwöhnen, bespitzeln, belauschen und beobachten.
Aber wie kann man sich davor bewahren, selbst angezeigt zu werden, selbst ins Räderwerk dieser gnadenlosen Vernichtungsmaschine zu geraten? Da gibtâs nur eins: die »Limpieza de sangre«. Die Bescheinigung, dass man »reinen Bluts« ist, das heiÃt, dass man bis in die siebente Generation nachweisen kann, unverdächtig christliche Ahnen zu haben, ohne jede Beimischung von jüdischem oder maurischem »Blut«. Zum ersten Mal wird die Verfolgung Andersdenkender nicht von deren Anschauungen abhängig gemacht, sondern von einer nebulösen genetischen Herkunft, von »rassischen Merkmalen« - wie ja auch die zwanzig angeblichen Erkennungsmerkmale eines heimlichen Juden, die die Inquisition ihren Spitzeln in die Hand gibt, das Aussehen mit einbezieht - Nase, Haar- und Augenfarbe; in Spanien, wo man ja weitgehend brünett ist, ein etwas lächerliches Unterfangen, wenn es nicht so ernst wäre.
Die Luft wird dünn für Jüdischstämmige am spanischen Königshof. Und Columbus tut gut daran, sich zunächst einmal fern zu halten.
Am 14. Juli 1491 wird der allmächtige Finanzminister Ferdinands, Luis Santangel (Wir kennen ihn bereits, er ist ein reicher Mann - und ein Converso!), der spätere Finanzier der Forschungsreise, erstmals vor das Tribunal zitiert. Santangel ist, wie wir wissen, Ferdinands Kanzler. Zwar kann er seine Unschuld beteuern, aber es soll nicht bei diesem einen Mal bleiben. Immer wieder schwärzen ihn Neider an, immer wieder finden sich auch am Hof Denunzianten. Nein, man foltert den groÃen Herren nicht. Man befragt ihn nur. Immer mal wieder. Jedoch zum Glück können die Majestäten nicht auf ihn verzichten. Ferdinand hält seine Hand über ihn.
Er hält die Hand auch über andere. Der Kämmerer Juan Cabrero, die Steuerpächter Abraham Senior und Isaak Abrabanel, Alonso de Caballeria, Vizekanzler Ferdinands, sind genauso gefährdet. Sehr viel später stellt das Königspaar diesen Männern durch ein Dekret eine Art »Eisernen Schutzbrief« aus. Ihre »Blutreinheit« darf nicht angezweifelt werden. Man macht sie quasi zu »Christen ehrenhalber«. Sie werden gebraucht.
Aber das ist erst im Jahre 1497 und so lange dauern die Schikanen.
Die Nerven liegen bloà bei den Conversos des Hofes. Das Leben als Gratwanderung zwischen Ruhm und Scheiterhaufen.
Das Durcheinander ist unbeschreiblich. Niemand ist mehr sicher. Ein Zeitgenosse schreibt: »Es geschah, dass von fünf Brüdern der eine als Minister befahl, der andere als Ketzer verbrannt wurde, ein dritter Bischof war, der vierte als Jude in der Fremde lebte und der letzte als Kommissar des Königs die Judenaustreibung beaufsichtigte.«
Austreibung? Dahin werden wir noch kommen. Von den spanischen Juden jedenfalls ahnt zum Zeitpunkt, als Granada fällt, die Mauren geschlagen sind, noch niemand etwas Derartiges.
Kurz vorm Ziel
Einmal wieder hält sich unser Seemann in La Rabida auf, um seinen Sohn zu besuchen und mit Fray Juan Pérez zu disputieren. Wir schreiben
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