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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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inzwischen 1491. Die letzten Jahre haben an Columbus gezehrt. Tiefe Falten haben sich in sein Gesicht eingegraben und sein Haar ist inzwischen wirklich schlohweiß. Er ist nun vierzig, war seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr auf See, lebt recht und schlecht von seinem Gewerbe, der Portolanenzeichnerei, lebt mit dieser Frau - eine kleine, eine bescheidene Existenz. In weite Ferne gerückt scheint ihm die Zeit, wo er der leidenschaftliche Liebhaber einer schönen adligen Dame war - wird er sie jemals wiedersehen? Wird ihn ein Schiff irgendwann zu den Kanaren bringen, wo diese Frau lebt und regiert? Und wird er irgendwann von dort nach Indien aufbrechen? Nun, er mag vergrämt und verärgert sein - aber aufgeben wird er niemals.
    Und irgendwann an den langen Abenden, an denen er mit Fray Juan Pérez spricht und seine Pläne hin und her wälzt, muss er irgendetwas hervorgeholt haben, was dem klugen Geistlichen das mehr oder weniger nebulöse Projekt plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lässt. Irgendetwas hat der Seefahrer preisgegeben, irgendetwas gezeigt oder erklärt, das auf einmal alles klarstellt: Es handelt sich nicht um bloße Hirngespinste, sondern da stecken fundierte Tatsachen dahinter.
    Was das war, wird zu den Rätseln gehören, die unseren Mann von Anfang bis Ende umgeben. Hat er eine Seekarte gezeichnet? Hat er von seinem Gewährsmann auf Porto Santo andeutungsweise gesprochen? Hat er von dem ihm wohlbekannten Geheimnis der Meereswinde geredet, die er zu nutzen gedenkt? Möglicherweise von den Passatwinden, der beständig in Richtung Westen über das »grüne Meer der Dunkelheit« wehenden Luftströmung, die den Schiffen sichere Fahrt verleiht? Wir können es nur vermuten.
    Jedenfalls reicht es aus, dass Pérez ein Pferd satteln lässt und nach Granada aufbricht, um eine dringende Audienz bei der Königin zu erwirken, und als Folge davon galoppiert ein Bote nach La Rabida. Der Mann Cristobal Colón soll sich unverzüglich bei Hofe einfinden. Ein Geschenk von 20 000 Maravedis ist dafür bestimmt, dass er sich »angemessene Kleidung« kauft.
    Das hört sich sehr vielversprechend an.
    Angetan mit einem schön gefältelten Leinenhemd italienischer Machart, einem schwarzen Samtwams, federgeschmücktem Barett und malerisch drapiertem Mantel, erscheint der künftige Entdecker neuer Welten selbstbewusst wieder am Hof - und wieder wird seine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Denn gerade nun kapitulieren die Mauren und die Herrscher haben alle Hände voll zu tun.
    Im November wird ein Vertrag unterzeichnet, und sechs Wochen später, am 6. Januar 1492, ziehen die Katholischen Könige im Triumph in den Alhambra-Palast in Granada ein, eskortiert von der Geistlichkeit, den Rittern und den einfachen Soldaten. Man zelebriert das Hochamt in der alten Mauren-Hochburg, während der arabische König Boabdil el Chico das Land räumt - und von allen Moscheen der Stadt flattert die Fahne mit dem Kreuz.
    Columbus darf mitreiten in dieser Prozession des siegreichen Königspaars. Und er kennt auch die Artikel des Kapitulationsvertrags mit den Mauren, deren jeden die Könige mit Eid beglaubigt haben. Dazu gehören freie Ausübung der Religion der Muslime, eine eigene Gerichtsbarkeit und Unantastbarkeit ihres Eigentums. Auf Bitten der maurischen Unterhändler wird den Juden Granadas das gleiche Recht zugestanden.
    Wir werden sehen, wie viel dieser Vertrag bereits drei Monate später wert ist. -
    Â 
    Nein, Isabella hat ihn nicht vergessen, auch wenn sie in Ruhm und Glaubenseifer schwelgt. Das, was ihr Fray Juan Pérez berichtet hat, muss sie alarmiert haben. Sie hat eine Nase dafür, ob ein Unternehmen Erfolg versprechend ist oder nicht.
    Columbus wird vorgeladen - und dann geschieht das Unglaubliche. Mit dem Selbstbewusstsein eines Gottgesandten stellt er seine Forderungen, und die Majestäten glauben, sich verhört zu haben.
    Wir erinnern uns: Er will die von ihm gefundenen Länder und Inseln praktisch als eine Art erbliches Herzogtum für sich und seine Nachkommen haben, als Vizekönig mit unumschränkter Gerichtsbarkeit und Oberaufsicht über die Verwaltung. Ferner verlangt er ein Zehntel aller eventuellen Einkünfte, den Adelstitel und die Ernennung zum Admiral.
    Er muss sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein - zu sicher, wie sich herausstellt, denn Isabella schickt ihn zunächst einmal, vor

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