Columbus
Solche, auf denen es, wie man allerorts hört, nur Schluchten und unwegsame Bergklüfte und ein paar Ziegen und aufmüpfige Eingeborene gibt. Keine Goldinseln. Keine Inseln, die auf ihre Kinder harren, wie es bei Jesaja steht.«
»Weinst du?«, fragt er und berührt ihre Lider.
»Ich werde nicht weinen, wenn ich mit dir zusammen bin, Seefahrer. Nicht eine Sekunde. Keinen Moment will ich mit Klagen und Jammern verlieren, solange wir uns noch sehen können.«
Das Licht der Abendstunde kommt und spielt mit ihrem feuerschwarzen Haar. Ihr Mund schmeckt nach Orangen.
»Wenn du fort bist, werde ich diesen Hof verlassen. Ich kann auch anderswo auf die Entscheidung warten.«
»Ja, querido. Ich werde die Marquesa daran erinnern, dass sie sich um dich kümmert.«
»Ich habe noch mehr Freunde hier.«
»Und Feinde, Cristobal.«
»Und Feinde«, erwidert er ruhig. Dann sagt er, mit der Selbstverständlichkeit, als ginge es darum, einen gut eingeplanten Ausflug in die Nachbargemeinde zu unternehmen: »Wenn ich dann unterwegs bin, liegen die Kanaren auf dem Weg. Dann werde ich dich besuchen.«
Unerschütterlich der Glaube an seine Vision. Unerschütterlich sein Glaube an den Erfolg. -
Die quälenden Jahre
Die Quellen sind sich nicht einig darüber, wann La Cazadora tatsächlich mit Hernán Peraza verheiratet wurde. Manche nennen die frühen Achtzigerjahre. Aber die gesamten offiziellen Dokumente des kastilischen Hofs von 1481 bis 1484 sind verloren gegangen. Und ein Kanzleibericht des Hofes sagt anderes aus: Es geht um die Ãbergabe der königlichen Mitgift in Höhe von fünfhunderttausend Maravedis an Doña Beatriz de Bobadilla. Und dies Dokument ist datiert auf den 23. Dezember 1486. So dürfte ihre Reise fort vom spanischen Hof eher zu dieser Zeit erfolgt sein.
Die Liebe zwischen der Adligen und dem Mann ohne Titel und Verdienste hat gerade einmal ein paar Monate gedauert. Zu diesem Zeitpunkt wissen sie noch nicht, dass sie sich wiedersehen, dass der Höhepunkt ihrer leidenschaftlichen Liebe noch bevorsteht.
Nach dem Auszug der frisch verheirateten Bobadilla in Richtung Kanarische Inseln verlässt auch Columbus den Hof.
Es beginnen seine trübsten Jahre - Jahre, schwankend zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es geht hin und her, immer noch hat die Kommission unter Talavera kein endgültiges Urteil gesprochen, immer noch schwankt das Kriegsglück der Spanier im Kampf gegen die Mauren und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Majestäten anderen kostspieligen Gegenständen zuwenden könnten; und immer wieder kommen ermutigende Zeichen von der Marquesa de Moya und anderen Freunden am Hof: Isabella sei nach wie vor interessiert an dem Projekt, man müsse eben abwarten. Einmal gibt es noch eine kleine Zuwendung aus der königlichen Kasse. Das tut auch Not, denn die Zahlung der Minirente, die ihm bei der Audienz zugesagt wurde, ist eingestellt worden.
Columbus bleibt in Cordoba, um in der Nähe zu sein, falls man ihn denn doch wieder rufen lässt. Er hat kein Geld, verdient sich seinen Lebensunterhalt durch das Zeichnen von Seekarten, die er an Schiffer in Sevilla und Cadiz verkauft, und handelt unter anderem mit Büchern und Almanachen, die seit dem Anwachsen der Zahl von Druckerpressen überall in Europa ein begehrtes Handelsobjekt sind. (Bekanntlich wurde 1445 die erste Bibel mit beweglichen Lettern gedruckt.) Er selbst, Büchernarr durch und durch, studiert immer wieder seine Lieblingstexte, die Heilige Schrift, die Reisebeschreibungen und geografischen Werke der Zeit, und er versieht die Seiten oft mit Anmerkungen in Katalanisch oder einem nicht immer ganz fehlerfreien Latein. Aufregend finde ich seine Art, eine bestimmte Textstelle zu markieren: Er malt eine aus dem Wasser hervorkommende Hand mit einem langen, zierlichen Zeigefinger, die auf den betreffenden Absatz hinweist - verspielt und präzis zugleich.
Während dieser Zeit beginnt er eine Affäre mit einer Frau, sucht Trost in den Armen einer anderen. Auch sie heiÃt Beatriz: Beatriz de Harana, eine Waise von einfacher Herkunft, die bisher bei ihren GroÃeltern gelebt hatte. Die junge Frau hat einen Gemüsegarten und verkauft ihre Ernte auf dem Markt. Wahrscheinlich trägt sie damit zum Ãberleben unseres Mannes bei. Wir wissen nichts von ihr, nicht ob sie schön oder weniger schön, klug oder einfältig war. Aber offenbar
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