Columbus
Don Cristobal?«
»Gern, Euer Gnaden.«
Sie heben schweigend die Becher gegeneinander. Dann sagt Santangel: »Harte Zeiten kommen auf uns zu. Für unsere Brüder und Schwestern, die nicht das Sakrament der Taufe angenommen haben, noch gewillt sind, es jetzt anzunehmen, um in Spanien bleiben zu können. Aber auch allen, die wie wir das Christentum bekennen, aber vom alten Bund abstammen, wird es mühselig und qualvoll. Deshalb rechne ich auf Euch, Don Cristobal. Ihr werdet Schiffe haben.«
Columbus stellt seinen Becher sehr langsam ab. Er zieht die Brauen in die Höhe. »Wie stellt Ihr Euch das vor, Herr Minister?«, sagt er und wählt seine Worte mit Vorsicht. »Ich brauche keine Frachtschiffe für mein Unternehmen, sondern wendige Karavellen. Ich kann keine Passagiere befördern. Und als Mannschaft benötige ich erfahrene Seeleute oder kräftige junge Männer, die mit den Strapazen einer Ãberfahrt ins Ungewisse fertig werden. Wenn das Eure Bedingungen sind, dann...«
Santangel hebt Einhalt gebietend die Hand. »Das weià ich, Colón! Aber bevor Eure Schiffe hinausfahren ins grüne Meer der Dunkelheit, werdet Ihr unfehlbar Zwischenstation auf den Kanarischen Inseln machen - dort wo eine gute Bekannte von Euch als Herrin angesiedelt ist. Die Nichte der Marquesa de Moya wird ohne Zweifel bereit sein, Neubürger aufzunehmen und gegen eine frische junge Mannschaft für Eure weitere Reise auszutauschen. Wisst Ihr übrigens, dass auf den Inseln dort die Inquisition noch nicht Fuà gefasst hat?«
»Ich verstehe!« Der Seefahrer sieht nachdenklich vor sich hin, seine grauen Augen verschleiert, halb unter den Lidern verborgen. »Das ist gewiss eine machbare Angelegenheit. Nur, verzeiht meine Offenheit, Euer Gnaden - ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr meine gesamte Expedition ausrüstet, um eine Hand voll gefährdeter Conversos nach Gran Canaria zu bringen.«
Der Minister lächelt in seinen dunklen Bart hinein. »Das seht Ihr sehr richtig. Oh nein, das ist gleichsam ein Nebeneffekt. Ich glaube an Euch - schlieÃlich habe ich auch mit Fray Pérez geredet. Ich hoffe auf einen saftigen Profit. Und dann ist da noch etwas.« Er zögert. »Die Frauen können ihren Mund nicht halten, das weià man ja. Marquesa de Moya hat mir etwas erzählt, was sie von ihrer Nichte, La Cazadora, gehört hat, damals, als die noch hier bei uns am Hof war, bevor sie verheiratet wurde. Ihr habt mit ihr sehr freimütig gesprochen zu jener Zeit. Ihr werdet es ja nicht vergessen haben. Die verlorenen zehn Stämme Israels. Die jüdischen Königreiche...«
Columbus ist einmal wieder errötet, Santangel weià nicht, ob vor Verlegenheit, vor Unmut oder nur aus Erregung.
»Das waren vertrauliche Gespräche!«, sagt er.
Santangel zuckt die Achseln. »Auch Vertrauliches vertraut man manchmal anderen an«, erwidert er. »Ich finde Eure Vision bestechend, Don Cristobal.«
»Ihr meint - wir könnten brüderliche Aufnahme erwarten dort drüben?«
»Wir sollten es nicht ganz ausschlieÃen.« Er seufzt. »Ich habe einen Traum. Stellt Euch vor, dass mächtige jüdische Reiche, mit denen die Katholischen Majestäten Handel und Wandel betreiben, zugunsten der Juden in Spanien Einspruch erheben...«
»Es ist ein Traum, Euer Gnaden.«
»Und Eure Reise? Ist sie nicht auch ein Traum?« Er steht auf. »Ich wünsche Euch den Segen Gottes, des Allmächtigen. Ach, übrigens, worum ich Euch noch bitten wollte: Seid doch so gut und nehmt Luis de Torres aus Murcia mit an Bord. Vielleicht kann er Euch von Nutzen sein. Er ist Dolmetscher für hebräische Sprache. Ein vor kurzem Getaufter.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl, Herr Minister.«
Die beiden Männer verneigen sich voreinander.
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Am 12. Mai macht sich Columbus auf nach Palos, jener Stadt, die zur Strafe für ihre Vergehen (Schmuggel!) von den Majestäten dazu verdonnert worden ist, Schiffe für das groÃe Abenteuer zu stellen.
Er kommt nur langsam vorwärts. Die StraÃen sind bereits jetzt verstopft von Flüchtlingen, jüdischen Familien, die eine der Grenzen Spaniens erreichen wollen. Ihnen bleibt nur noch bis August - dann läuft die Frist für die Ausreise ab. Diejenigen, die jetzt im Mai schon unterwegs sind, das sind die Pessimisten. Die haben schon andere schlimme Erlebnisse hinter sich, wahrscheinlich
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