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Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Titel: Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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überholen. Als sie beim Beschleunigen zum wiederholten Male feststellen musste, dass aus der schwächelnden Maschine des Jeeps nicht mehr herauszuholen war, und dass die Lautstärke beim Durchtreten des Gaspedals unproportional zur Geschwindigkeit zunahm, begann sie den Wagen zu verfluchen: »Jesus, wie ich diese Dreckskiste hasse.«
    Pauline war Ardgirvanerin in der ersten Generation. Sie hatte hier das Licht der Welt erblickt, kurz nachdem ihre Eltern Mitte der Siebziger in die Stadt gezogen waren. Im Gegensatz zu Gary, dessen Wurzeln vermutlich bis zum ersten Bauern zurückreichten, der jemals diesen kargen Boden hier bebaut hatte.
    Der überwiegende Teil der Historiker von Ardgirvan – eine so seltene, wie obskure Zunft – tendierte dazu, die Entwicklung der Stadt in zwei relevante Phasen aufzuteilen: die Zeit vor und jene nach dem Bau der Neustadt. Die ältesten Straßen und Gebäude ließen sich bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückdatieren, als die Stadt noch ein geschäftiger Hafen im Dienste Glasgows war, das rund fünfzig Kilometer die Küste rauf lag. Später, als Glasgow unter den Viktorianern prosperierte, diesen gerissenen Tabakbaronen, Zuckerlords und Gewürzdons, da wuchs und gedieh auch Ardgirvan. Im Stadtzentrum überspannte eine schöne
schmiedeeiserne Brücke den namensgebenden Fluss Ardgirvan, und hohe, reich verzierte Gaslaternen warfen orange-gelbe Lichtkegel über die breiten Avenuen und gepflasterten Straßen. Im Hafen wurden große Schiffsladungen voller Kohle und Holz von den örtlichen Minen und Sägewerken verladen und über das Wasser nach Norden, zu den Werften am Clyde, transportiert, wo die großen Schiffe gebaut wurden.
    Die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gestaltete sich für den Ort zwar durchwegs mühsamer – für wen tat sie das nicht -, aber die Bürger kamen halbwegs zurecht. Nach dem Zweiten Weltkrieg explodierte der soziale Wohnungsbau. Braune Rauputz-Reihenhäuser schossen aus dem Boden, mit winzigen quadratischen Gärten dahinter, in denen die Veteranen Karotten züchteten. Dann, 1966, wurde Ardgirvan zum Standort von Schottlands jüngster Trabantenstadt auserkoren: eines dieser Gussbetonparadiese, entworfen, um die Überbevölkerung in den Großstädten in den Griff zu kriegen. Für den Ausbau des Straßennetzes, der Kreisverkehre und Umgehungsstraßen, fielen Hunderte Morgen Wald und Wiesen den stählernen Ketten der Bagger zum Opfer. Erneut schlug der soziale Wohnungsbau zu, diesmal in Form von Reihenhausblöcken, weiß wie Pfefferminzdragees, die um die ehemaligen Außenbezirke der Stadt herum hochgezogen wurden. Mit staatlichen Geldern wurden Gewerbegebiete erschlossen, um jene Unternehmen zu beherbergen, von denen sich die Stadtväter erhofften, dass sie nun – angezogen von den günstigen Mieten, billigen Arbeitskräften und auf der Welle des ökonomischen Booms der Mittsiebziger reitend – in die Stadt strömen würden. Richtung Glasgow erging die Aufforderung, die armen, in Elendsvierteln zusammengepferchten Arbeitermassen nach Ardgirvan die Küste herunter und einem besseren Leben entgegenzuschicken.
    Und die Menschen aus Glasgow kamen tatsächlich. Doch der wirtschaftliche Aufschwung der Mittsiebziger schien nicht gewillt,
Ardgirvan seine Aufwartung zu machen, und entschied sich dafür, ausgerechnet diese Party auszulassen. Statt des geschäftigen Klanges prosperierender Unternehmen hallte schon bald das Splittern von Glas, das Knistern der Klebstofftüten und das Zischen von Spraydosen durch die leerstehenden Gebäudekomplexe der Gewerbegebiete. Die Vandalen ließen es sich in ihren neuen Spielplätzen gutgehen. Doch Ende der Siebziger, als die kleine Pauline gerade ihre ersten Schritte machte, geschah etwas völlig Unerwartetes. Gary, zwei Jahre älter als Pauline, konnte sich jedenfalls noch dunkel daran erinnern, seine Ma sagen zu hören, dass es vielleicht mal eine »nette kleine Abwechslung« sei, einen weiblichen Premierminister zu haben.
    Allzu lange behielt sie diese Überzeugung nicht bei.
    Garys Ma hatte einen verklärten Blick auf die Geschichte der Stadt: Ging es nach ihr, so war Ardgirvan einst eine idyllische Küstengemeinde voller glücklicher Hobbits gewesen, die einander kannten und vertrauten. Ein Ort, an dem man Tür und Fenster offen ließ, wenn man in die Ferien fuhr – vermutlich, so dachte Pauline, damit die Nachbarn vorbeischauen können, um deine blühenden Geldbäumchen zu gießen -, und wo es weder Armut noch Gewalt

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