Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs
kohlrabenschwarze Teiche, waren von Rissen und Fissuren milchiger Katarakte durchzogen. In diesen Augen erblickte Gary nun das Gesicht eines Schotten, der an eben diesem Morgen dreiunddreißig Jahre alt geworden war. Er hatte einen dichten, jungenhaften Schopf rotbraunen Haares und rostfarbene Flecken in seinem Stoppelbart (in der Schule hatten sie ihn eine »Halbkarotte« genannt). Garys Augen waren blau und klar, die Augen eines Mannes, der jeden Morgen seine fünf Kilometer lief und nur selten Alkohol trank. Er besaß ein jugendliches Äußeres, obwohl er letztens, in den Vertiefungen neben seinen Nasenlöchern und in der Falte unter den Tränensäcken, vereinzelte Poren entdeckt hatte, die große Mengen wächsernen Eiters enthielten; ein posthumes Vermächtnis seines Großvaters, der zu seinen besten Zeiten ein Golfer mit Handicap zwei gewesen war und diesen Sommer bereits dreizehn Jahre unter der Erde lag.
Mensch und Bestie verharrten noch einen kurzen Augenblick Auge in Auge – beide schienen damit zu rechnen, dass jede Sekunde neue Kämpfe ausbrechen würden -, bevor Gary die Hintertür öffnete und den Hund mit viel Mühe in den Garten bugsierte. Ben kam natürlich gar nicht bis zum Rasen, sondern pinkelte fröhlich drei Fuß von der Tür entfernt auf die Terrasse, sein hechelndes Gesicht in den Urindampf getaucht.
Es folgte das Ritual: Paulines Porridge.
Der Haferbrei war das Produkt intensiver Arbeit und großer Erfindungsgabe. Er wurde mit Milch gemacht und ganz genau dreieinhalb Minuten in der Mikrowelle erhitzt. Diese Zeitspanne garantierte die exakt richtige Konsistenz des Haferschleims und war das Ergebnis ausgiebiger Forschungs- und Entwicklungsarbeit, zu der Gary sich bemüßigt gesehen hatte, nachdem Pauline zu Beginn ihrer Ehe zahlreiche Schüsseln mit zu flüssigem oder zu festem Haferbrei keines Blickes gewürdigt hatte.
Gary stand in Boxershorts und einem uralten Stone-Roses-T-Shirt in der langsam wärmer werdenden Küche, lauschte dem Summen der Mikrowelle und dem Rumpeln des Teekessels. Vor einem Jahr hätte er an dieser Stelle noch im Garten gestanden. Der Ausbau von Küche und Esszimmer – Paulines Projekt – war gerade erst beendet worden. Lange nach Plan und weit über Budget.
Sie waren vor fünf Jahren in die kleine Neubausiedlung gezogen, die sein Bruder als »Tal des Büchsenfleischs« bezeichnet hatte. Es war ein Spottname der Einheimischen, der darauf abzielte, dass die Deppen, die sich so ein Haus gekauft hatten, von Fleisch in Dosen leben mussten, um die Raten abstottern zu können.
Das Haus war brandneu. Ihre Streitereien waren die ersten gewesen, die innerhalb dieser Wände stattfanden; ihr Sex der erste, den der grau melierte Teppichboden aushalten musste. (Wann war das zum letzten Mal passiert?)
Die Mikrowelle klingelte. Er nahm die blubbernde Schüssel heraus und fügte Bananenscheiben, Blaubeeren und kleingeschnittene Erdbeeren dazu. Während die Früchte in dem grauen Treibsand versanken, gab er einen Spritzer Ahornsirup hinein. Nicht mehr als einen Spritzer. Pauline wollte bloß einen Nachhall von Süße. Was sie – ausdrücklich – nicht wollte, war, fett zu werden. Ein Großteil ihrer Lektüre und der verbissene Blick, mit dem sie die Ausgaben von Babe! oder Hot! oder den Frauenteil des Daily Standard – »Schottlands freundlichste Tageszeitung für die ganze Familie!« – durchleuchtete, diente ausschließlich der Vermeidung von Fettleibigkeit.
Während er den Porridge vorbereitete, ließ er Paulines Tee ziehen; auch das unter Verwendung eines ausgeklügelten Verfahrens. Die Verweildauer des Teebeutels in der Tasse betrug mindestens drei und höchstens fünf Minuten. Danach wurde er sorgfältig wieder herausgenommen, wobei er keinesfalls gegen die Tassenwand gepresst werden durfte, da es sonst zu einer »Quetschung« des Tees kommen konnte.
Gary Irvine führte diese Aufgaben mit der Beflissenheit und Gewissenhaftigkeit eines Mannes aus, der inständig auf baldigen Vollzug des ehelichen Geschlechtsverkehrs hoffte.
Bevor er das Tablett nach oben brachte, ging er in den Garten, um Ben reinzuholen. Bis zum hinteren Teil des Gartens waren es von der Küchentür aus etwas mehr als vierzig Meter. Von seinem Standort ein Half Shot mit dem Sand Wedge (möglicherweise wäre ein Pitch and Run mit dem Eisen sieben auch die bessere Wahl: Es war ein Percentage Shot, ein Schlag mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit). Da der Hund nahezu völlig taub war, machte sich Gary
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