Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
Kommentator.
Albert war der überragende Lehrer, der viele Texte und Denkmöglichkeiten erschlossen hatte, den kohärenten Peripatetismus Sigers, den theologisch kontrollierten des Thomas und dessen weitgehende Ablehnung mit partiellen Zugeständnissen durch Bonaventura. Albert hatte bei der Aristoteles-Erklärung theologische Interventionen abgewiesen. In anderen Texten wollte er die theologischen Mysterien vor philosophischen Eingriffen schützen. Das war insgesamt ein zweigleisiges, nicht-harmonistisches ›System‹. Wegen seiner vielfachen Anknüpfungsmöglichkeiten war es historisch fruchtbar.
Bonaventura hatte aristotelische Termini an untergeordneter Systemstelle akzeptiert, betonte aber, besonders in seiner Endphase um 1273, die Gefahren, die das griechisch-arabische Wissen für die Christen mit sich bringe.
Thomas von Aquino brachte diese neue Denkwelt in ein umfassendes christliches Schema. Es umfaßte nicht nur die Bibel und die bei Petrus Lombardus gesammelten Sentenzen, sondern verband auch Positionen der peripatetischen Tradition mit der neuplatonisch-christlichen Philosophie mit ihrem Muster des Ausgangs der Geschöpfe von Gott und ihrer Rückkehr zu ihm. Er anerkannte die Selbständigkeit der Philosophie, aber nur bis zum theologisch fixierten Punkt; er unterwarf Vernunft, Philosophie und weltliche politische Macht der von seiner Theologie beratenen päpstlichen Herrschaft. Sie mußten nach deren Kriterien nützlich sein. Aber die Philosophen hatten inzwischen ihre eigenen Kriterien entwickelt: Widerspruchsfreiheit im Anschluß an die logischen Schriften des Aristoteles hatten Anselm und Abaelard auch von christlichen Lehren gefordert; die Schule von Chartres und die Rezeption der griechisch-arabischen Philosophie hatten die Konsistenz der Naturdinge entdeckt; einige Denker hatten ausgewählte Motive Augustins und fast alle Philosopheme des Boethius weiterentwickelt. Daher waren Konflikte mit dem päpstlichen Weltherrschaftsanspruch unvermeidlich, sei’s der päpstlichen Wissenschaftspolitik, sei’s ihren realpolitischen Eingriffen. Dies hat Leben und Denken Dantes bestimmt.
11.
Dante gegen päpstliche Weltherrschaft in Politik und Wissenschaft
Man darf sich das intellektuelle Leben zwischen 800 und 1300 nicht so vorstellen, als hätten einsame Genies in isolierter Stellung mit den Weltproblemen gerungen. Sie lebten, lasen und dachten in ihrem sozialen Kontext. Zunächst am Hof von Kaiser Karl und seinem westfränkischen Nachfolger, dann in einem der von Karl disziplinierten Benediktinerklöster, später in einer Kathedralschule, zuletzt an der Universität. Allein schon, um eine noch so kleine Bibliothek zur Verfügung zu haben, war eine soziale Organisation gefordert. Aber auch die innere Motivation der intellektuellen Arbeit hing oft, nicht immer, mit dem Zweck dieser Institutionen zusammen. Dies alles bedeutete Themenvorgaben, Diskussionszusammenhänge und – Kontrolle, auch Zensur. Es gab früh Ketzerverdächtigungen, so schon im 9. Jahrhundert gegen Gottschalk und Johannes Eriugena, aber zwischen 800 und 1050 hatten solche Konflikte lokalen Charakter. Es gab Debatten innerhalb desselben Klosters wie in Corbie; es gab Verurteilungen und Verhaftungen wie im Fall Gottschalks, aber eine große, überregionale Auseinandersetzung entbrannte erst im Streit um Berengar von Tours († 1088) und gleich darauf im Investiturstreit.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verschob sich das Verhältnis von Kultur und Politik, von Kirche und Bildung. Der Papst in Rom trat zunehmend als Glaubensrichter auf. Er entzog den Ortsbischöfen und Äbten mehr und mehr die Kontrolle über Bücher und Lehren und schuf sich schließlich mit der Universität Paris ein eigenes Organ der Denkarbeit und der Ausbildung.
Diese Entwicklung hatte viele Ursachen; grob könnte man sagen: Jetzt übernahm das erstarkte Papsttum die kulturelle, intellektuelle und politische Führung; der Römische Kaiser, mächtiger noch als gegen Ende des Mittelalters, geriet seit etwa 1075 in Konflikt mit der auf ihre ›Freiheit‹ pochenden Papstkirche. Vor 1050 hatten deutsche Kaiser Päpste, Bischöfe und Äbte eingesetzt. Das war mit dem gestiegenen Unabhängigkeitsbewußtsein der geistlichen Herren schwer vereinbar. Rom arbeitete daran, den Klerus nach den Idealen des Mönchtums umzuformen. Es forcierte die Überlegenheit alles Geistlichen über das Weltliche. Vor allem stießen die deutschen Könige auf den Machtanspruch
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