Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
der Päpste, die aus den deutschen Bischöfen päpstliche Kirchenbeamte machen wollten. Sie waren aber seit Otto I. Reichsfürsten und hatten ihre politische Herrschaft gegen die Zentralgewalt zunehmend ausgebaut.
Der Beginn dieser Entwicklung und die ersten großen Konflikte sind mit dem Namen von Papst Gregor VII. (1073–1085) verbunden. Zunächst schien er nicht mehr zu verlangen, als daß die Kirche ihre Sachen selbst regeln kann. Aber dies war unter den seit Karl dem Großen bestehenden Bedingungen schon die Revolution. Er wollte die Bischöfe selbst ernennen oder absetzen, er mußte den Einfluß der Großen, vor allem den des Römischen Kaisers, zurückdrängen. Er zentralisierte die kirchliche Verwaltung. Er forderte die ›Freiheit der Kirche‹. Er erließ neue Bestimmungen zum Beispiel im Ehe- und Erbrecht und machte sich damit zum wahren europäischen Gesetzgeber. Wie er sein Amt auffaßte, faßte er in einem kurze Programmtext zusammen, dem sog. Dictatus papae. Er beanspruchte, der Papst sei der einzige Bischof für die gesamte Welt; alle Fürsten hätten seine Füße zu küssen. Alle größeren Entscheidungen in allen Bistümern habe er zu fällen. Er hat alles zu beurteilen, ihn hat niemand zu beurteilen. Er hat das Recht, Kaiser abzusetzen, nicht nur Bischöfe. Ein Römischer Bischof kann nicht irren; durch die Verdienste des heiligen Petrus wird er unfehlbar heilig. Auch die kanonischen Bücher, also die Heilige Schrift und die Kirchenväter, haben nur Autorität kraft seiner Genehmigung. [919]
Dieses Programm war undurchführbar; es widersprach den Machtverhältnissen der Zeit um 1075. Und doch war es außerordentlich folgenreich: Der Papst faßte den Gedanken, er sei als Repräsentant Gottes der Herr der Welt. Wenn er Kaiser absetzen konnte, wenn alle Fürsten seine Füße zu küssen hatten, war klar, wer ihr Herr war. Er selbst war die oberste Instanz; niemand durfte ihn richten. Er hatte zu bestimmen, wer herrschen durfte; er setzte fest, welche Bücher Autorität hatten. Sein Herrschaftsanspruch war universal; er galt politisch wie kulturell. Er griff daher auch in den Streit um Berengar ein und suchte ihn endgültig zu entscheiden. Er versuchte, sein Recht als Weltregent auszuüben, indem er befahl, niemand dürfe dem 1076 abgesetzten König Heinrich dienen, ut nullus sicut regi serviat . [920] Im März 1081 erklärte Gregor noch einmal seine Konzeption: Wenn der Papst die Macht hat, den Himmel zu öffnen und zu verschließen, dann hat er erst recht die Macht, über die Erde zu urteilen. Es sei doch gar kein Zweifel, daß die Priester Christi die Väter und Magister der Könige und Fürsten seien. Der Papst ist verantwortlich für die Wahrung der Glaubensüberlieferung und die rechte Lehre, für die eruditio sacrae religionis . [921] Für die Folgezeit entscheidend wurde dieser Doppelanspruch des Papstes; er sollte herrschen über die weltlichen Fürsten und über die intellektuelle Welt. Die Welt werde regiert von der heiligen Autorität der Bischöfe und von der königlichen Macht, aber die geistliche Macht stehe um so höher, als sie auch über Könige vor Gott Rechenschaft ablegen muß. Sie hat zu beurteilen, wer würdig ist, als König zu regieren. Innozenz III. präzisierte seine Rechtsauffassung in dem Decretale Venerabilem fratrem vom März 1202: Der Papst bestreite nicht das Recht der Fürsten, den Kaiser zu wählen. Aber ihm komme es zu, die erwählte Person zu bewerten. Und wenn die Wahl zwiespältig ausfalle, falle die Entscheidung an ihn. Er könne auch den Kandidaten der Minderheit wählen. [922] Dem Papst gehöre die weltliche Herrschaft nicht nur im Kirchenstaat, sondern auch in anderen Regionen. [923] Überhaupt verhalte sich die weltliche zur geistlichen Macht wie der Mond zur Sonne, die allein das Licht gibt. [924] Innozenz III. bezog die Worte Gottes an den Propheten auf den Papst, dem Gott sage: Ecce, constitui te super gentes et regna, ut evellas et destruas, et dissipes, et aedifices et plantes. Sieh, ich habe dich gesetzt über die Völker und die Königreiche, damit du ausreißt, zerstörst und zersprengst, und damit du aufbaust und pflanzt. [925] Das war eine radikale Vollmacht, von Gott selbst dem Papst verliehen. Papst Bonifaz VIII. gab 1303 dem Weltherrschaftskonzept der Päpste den bekannten extremsten Ausdruck in seiner Bulle Unam sanctam.
Den Päpsten standen mehrere historische Legenden zur Verfügung, um den Anspruch auf
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