Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
weltlichen Wissenschaften zu sehr zuzuwenden; er tadelte ihre Versuche, den Glauben zu sehr mit Vernunftargumenten stützen zu wollen; dadurch würden sie ihn überflüssig machen. [912] Papst Gregor IX. schrieb am 27. Februar 1230 den Pariser Theologen, sie sollten sich nicht als Philosophen gebärden. Den artes-Lehrern befahl er, worüber sie Vorlesungen halten sollten; die neuen naturkundlichen Bücher sollten sie nicht benutzen, bis diese von jedem Verdacht der Irrlehre gereinigt seien. [913] Die Kirche forderte von den Professoren einen Eid, bei der rechten Lehre zu bleiben; unwürdige artes-Lehrer seien zu entfernen. Aber sie begann ihren Rückzug, indem sie eine Kommission einsetzte, die das Häretische dieser Bücher ausmerzen sollte. [914] Wir hören nichts vom Ergebnis dieser Überprüfung, aber die neue Wissenschaft war nicht mehr aufzuhalten. Im März 1255 schrieb das Statut der Universität vor, die Schriften des Aristoteles insgesamt zu behandeln. [915] Der Siegeszug setzte sich fort durch die neue Studienordnung der Dominikaner von 1259, an der Albert und Thomas beteiligt waren.
7.
Die Linie Bonaventuras. Franziskaner
Der Widerstand gegen die Neuerung hörte nicht auf, nicht bei den Dominikanern, noch weniger bei den Franziskanern. Anfangs schloß deren Armutsidee den Besitz von Büchern aus; Pergamentbände waren teuer. In der Anfangsphase standen sie dem akademischen Betrieb kritisch gegenüber. Diese Ablehnung ließ sich nicht halten; Alexander von Hales und Bonaventura organisierten das Studium der Franziskaner. Auch sie konnten die aristotelische Philosophie nicht völlig ausschließen. Niemand kam mehr ohne deren Texte und Terminologie aus. Aber sie sahen sie kritisch, besonders nachdem gegen 1265 die Kritik am ›Averroismus‹ immer lauter wurde, was zu den Verurteilungen von 1270 und 1277 führte. Bonaventura, der organisatorische und intellektuelle Führer der Franziskaner, ist 1274 gestorben. Im Jahr davor, 1273, hat er in einer Reihe von Universitätspredigten, Collationes in Hexaemeron, scharfe Kritik am Aristotelismus geübt. Er verderbe das Verständnis des Christlichen. Er sei nur in untergeordneter Funktion für den Christen verwendbar. Die Philosophie sei in den Gehorsam des Glaubens zu zwingen, sonst sei sie gefährlich und führe zum Hochmut. Bonaventuras Reden schleuderten Brandsätze gegen die Philosophie und enthielten doch tiefsinnige Kritiken an den Mängeln der peripatetischen Philosophen. Franziskanerdenker haben sie zu originellen Positionen weitergeführt; Nikolaus von Kues hat sie systematisch entwickelt. Gerade ihr Widerspruch zur Philosophie war, intelligent gemacht, philosophisch und naturwissenschaftlich fruchtbar. Die Franziskanerschule hat durch ihre größere Distanz die Aristoteliker herausgefordert, die eine stärkere Tendenz zu schulmäßiger Abschließung und dogmatischer Erstarrung zeigten. Ihr bekanntestes Opfer wurde Galilei. Auch Descartes und Kant hatten noch mit ihnen zu kämpfen. Bonaventura gehört in die Geschichte der Philosophie wegen seiner Einsichten in die Grenzen der peripatetischen Vernunft und durch seine Kunst, ein einheitliches Konstrukt christlichen Denkens vorzulegen, das die aristotelischen Elemente nur in strikter Unterordnung zuließ. Bonaventuras Werk tritt einheitlicher auf als die zerklüfteten und manchmal mangelhaft koordinierten Schriften Alberts. Sie dienten auch der Disziplinierung der von einer ›geistigen‹ und armen Kirche träumenden Franziskanerchaoten, die einen dritten, unautoritären Abschnitt der Geschichte des Christentums erwarteten, ein Zeitalter des freien, des heiligen Geistes.
Dem stand die machtpolitische Etablierung der Kirche entgegen, seit dem endenden 11. Jahrhundert von mächtigen Päpsten betrieben, von Gregor VII., Innozenz III. und seinen Nachfolgern bis Bonifaz VIII. († 1303). Diese Kirche wollte Weltherrschaft, und das in einer Zeit, in der sich das Selbstbewußtsein der philosophischen Vernunft und der politischen Sphäre schnell parallel entwickelte. Das ergab Konflikte, und sie gaben den Schriften des Abtes Joachim von Fiore († 1204) und ihrer Botschaft von einem ›Dritten Reich‹ der Freiheit und des Friedens in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hohe Aktualität. Gegen sie kämpfte Bonaventura an.
Seit den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts legten die religiösen Orden sich Hausphilosophien zu und verpflichteten bei schweren Strafen ihre Professoren auf
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