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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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ganz normaler Ablauf. Wir sind kein Sonderfall. Man denke nur an Zaire, Ruanda, Bosnien, Tschetschenien, den Mittleren Osten, Irland, Afghanistan, Albanien … Was sich hier bei uns abspielt, ist letztlich biologisch konditioniert. Unser Land will erwachsen werden. Es ist auf der Suche nach sich selbst. Eine schlichte Pubertätskrise.«
    Ich bin jetzt ganz allein auf der Veranda, übers Gelände gesunken, halb weggetreten. Da kommt Madame Rym angeschlängelt. Sanft legt sich ihre Hand auf meine.
    »Warum haben Sie mich zu diesem Karneval der Beknackten geladen, Madame Rym?«
    »Damit Sie wissen, was ich Woche für Woche auszustehen habe.«
    »Dazu zwingt Sie doch keiner.«
    »Deshalb versuche ich ja auch, neue Freunde zu gewinnen.«
    »Ach tatsächlich?«
    »Absolut. In meiner Welt spricht man nur über Profit, Politik und Finanzgeschäfte, nie über andere Dinge. Ich bin es leid. Ich bin eine Träumerin, Monsieur Llob. Am liebsten säße ich irgendwo an einem Flußufer und würde alles vergessen, schlösse einfach die Augen und stellte mir vor, daß Märchen wahr werden: Sogar einen Frosch würde ich dafür auf sein feuchtes Maul küssen. Manchmal packt mich die Lust, einfach die Tür zuzuknallen und in den Büschen meine Träume aufzustöbern. Ich bin ein Mädchen vom Land, Monsieur Llob. Mein Vater besaß eine Hütte am Waldrand. Er ist nur deshalb in die Stadt übersiedelt, weil er fürchtete, man könnte mir hinter einem Baum auflauern. Ich bin leidenschaftlich gern durch die Wälder gestreift.«
    Ihre Finger haben sich mittlerweile in meiner Hand eingenistet. Ihre Augen, in denen sich das Laternenlicht spiegelt, funkeln wie zwei Juwelen. Ihr Parfüm ist stärker als alle Düfte, die aus dem Garten aufsteigen.
    »Ich bin wie meine Rosen, die ich hingebungsvoll pflege. Aber das fällt keinem meiner Gäste auf. Alle kommen sie nur hierher, um zu feiern. Und im Morgengrauen, wenn sie wieder gehen, glänzen Tränen in meinen Augen, als wären es Tautropfen auf den Blütenblättern.«
    Sie faßt mich um die Taille, und ich spüre deutlich den Druck ihrer Brüste gegen meine Rippen.
    »Kommen Sie, mein Freund, lassen Sie uns zu Tisch gehen.«
    Ich folge ihr.
    »Mögen Sie Blumen, Monsieur Llob?«
    »Unter anderem.«
    »Haben Sie eine Vorliebe für eine bestimmte Sorte?«
    »Nun, sagen wir, ich sehne mich nach jener, die ich wohl kaum noch werde pflücken können.«
    »Nämlich?«
    »Der Jugendblüte.«
     
    Das Dinner wird in einem riesigen, mit Samttapeten ausgeschlagenen Saal serviert. Das Bankett erstreckt sich über mindestens zwanzig Meter Länge. Es ist so üppig, daß man davon eine ganze Sippe zwei Tage lang satt bekäme. Ich werde zwischen zwei knusprige Damen an die Mitte der Tafel plaziert, zu meiner Linken Madame Baha Salah, rechts von mir Madame Haraj. Den Vorsitz macht Amar Bouras. Jeder andere hätte mich überrascht. Da er meint, er sei auf einem Kongreß, leiert er einen unverständlichen Diskurs herunter und bittet uns, massenhaft seiner Bewegung für die Wiederherstellung von Frieden und Wohlstand in Algerien beizutreten. Sein Politbüro klatscht eifrig Beifall. Das ist das Signal für die wackeren Kämpen: Im Sturm werden die Suppentassen eingenommen.
    »In welcher Partei sind Sie denn, Monsieur Llob?« fragt mich meine Nachbarin zur Rechten.
    »In meiner Familie, Madame.«
    »Da haben Sie recht. Aber wo ist denn Ihre Frau?«
    »Zu Hause. Sie bereitet gerade mein Bad vor.«
    »Kleiner Heimlichtuer. Während Ihre Frau Ihnen das Bad zubereitet, suchen Sie krampfhaft nach einer Rechtfertigung dafür.«
    Eine zweite Detonation läßt uns hochfahren.
    Doch gleich nimmt Baha Salah das Heft in die Hand: »Kümmert Euch nicht um diese Idioten, liebe Freunde. Schlemmen wir bis zum Gehtnichtmehr!«
    Die Selbstsicherheit des Industriellen entspannt die Atmosphäre. Hinter einer dicken Dame aus der Bourgeoisie versteckt, hat Scheich Alem mich im Visier. Kaum wende ich den Kopf ab, schmettert er los: »Neunundsiebzig!«
    »Schäm dich, Scheich!« empört sich der Filmemacher. »Ein Hadsch wie du, mit einem Bein schon im Grab! Wie kannst du dich nur freuen, dein eigenes Land in Flammen aufgehen zu sehen!«
    »Daran ist nur die Armee schuld!« deklamiert der Bärtige. »Sie hätte den Wahlprozeß nicht unterbrechen dürfen.«
    »Die Armee hat nur ihre Pflicht getan. Hätten die deutschen Offiziere damals denselben Mut bewiesen, um Adolf Hitler den Weg zu versperren, dann hätte das in Deutschland sicher einen

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