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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Lust und Laune mit uns umspringen können!«
    »Herr Direktor!« unterbreche ich ihn. »Ich werde Ihnen nie genug für Ihre Unterstützung danken können. Ich weiß, Sie haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich zurückzubekommen, nur: Ein echter Berber ist wie ein Karabiner. Wenn er einmal losschießt, gibt’s kein Zurück.«
    »Das wirst du uns doch nicht antun …«
    »Hören Sie, lassen Sie uns eine Sekunde lang vernünftig miteinander reden. Ich schleppe mich auf meine sechzig Lenze zu, bin schon fast ein alter Knabe, immer schwieriger zu bändigen. Wird langsam Zeit für mich, das Feld zu räumen. Ich bin es leid, hinter kleinen Ganoven herzurennen, während die großen Gauner über alle Zweifel erhaben sind. Es macht mir keinen Spaß mehr. Ich strecke die Waffen, ich will nach Hause. Ich habe Kinder, die sollte ich mal wieder aus der Nähe sehen, und auch etwas öfter als sonst, und eine Frau, die mehr ist als nur ein Arbeitstier, auch wenn ich das fast vergessen habe, und vielleicht schaffe ich es und sie verzeihen mir, daß ich sie für trügerische Gedankenspiele verschachert habe. Ich will mich ausruhen, Monsieur Menouar, mich mit den einfachen Dingen des Lebens aussöhnen, mich tagelang hinter einem Buch verkriechen oder auch einmal verreisen, die Welt kennenlernen. Es tut mir aufrichtig leid. Nicht daß ich gar keine Lust mehr hätte, aber ich bin nicht mehr mit dem Herzen dabei. Bei uns zu Hause, in den Bergen der Nait-Wali, besteigt kein Reiter mehr ein Roß, das ihn einmal abgeworfen hat.«
     
    13
     
    Die Krankenschwester ist sehr nett. Nicht eben von der Natur verwöhnt, dafür ein Herz wie ein Schifferklavier. Sieht aus wie ein altertümlicher Kleiderschrank, der bis vor kurzem noch beim Trödler stand, leicht angestaubt, mit Fettwülsten zwischen Schultern und Ellenbogen und einem massigen, gutmütigen Gesicht. Sie walzt mit der Eleganz eines Eisbrechers durch die Menge und wird im Vorbeirauschen von neckischen Zurufen begrüßt.
    »Die Leute hier scheinen Sie ja mächtig zu mögen!« bemerke ich.
    »Umgekehrt auch.«
    »Sie sind bestimmt völlig überlaufen.«
    »In den anderen Krankenhäusern ist noch weniger Platz. Wir rücken halt zusammen. Nicht sonderlich bequem, aber so hält man sich aufrecht.«
    Im Gang wimmelt es vor Leuten, die meisten Opfer terroristischer Anschläge. In einem überfüllten Raum läßt sich ein Junge von den Zauberkunststückchen eines alten Arztes unterhalten. Er hat einen grotesken Verband um den Kopf und ein Bein amputiert. Sein Gesichtchen funkelt wie ein Leuchtreif inmitten der allgemeinen Konfusion.
    »Sie waren zu elft in der Familie«, berichtet die Krankenschwester. »Er ist als einziger übriggeblieben, und auch das nur zum Teil. Innerhalb von wenigen Minuten hat er Vater und Mutter, fünf Schwestern und drei Brüder verloren. Alle bestialisch ermordet. Er selbst hat einen Schlag mit der Machete auf den Kopf gekriegt, einen anderen übers Knie und wurde als tot liegengelassen. Er hat die Nacht im Blut seiner Familie verbracht. Er hat noch kein einziges Wort gesagt. Wir versuchen, ihn abzulenken. Er macht zwar mit, aber alles nur an der Oberfläche. In Wirklichkeit hat sich sein Geist in die tiefsten Schichten seines Ich zurückgezogen und weigert sich hochzukommen.«
    »Hat er keine Verwandten mehr?«
    »Wir sind noch am Suchen …«
    Ein Verletzter hüpft auf seiner Prothese umher und macht mir begeistert Zeichen. »He! Kommissar!«
    Der Mann ist groß und kräftig gebaut, mit fleckigem Gesicht. Er muß so um die Dreißig sein, sieht aber zehn Jahre älter aus. Sein rechtes Auge wird ganz von seiner geschwollenen Wange verdeckt. Ich strenge mich an, ihn in meinem Gedächtnis zu orten - umsonst. Er kämpft sich recht und schlecht durchs Chaos und ist sichtlich erfreut, mich hier anzutreffen.
    »Erkennst du mich nicht wieder? Wahab aus Bir Mourad Rais. Ich war im Team von Leutnant Chater.«
    »Ach ja!« entgegne ich, um ihn nicht zu kränken.
    Seine feuchte Hand vergißt sich in meiner. Sein Lächeln wird schmal.
    »Molotow-Cocktail«, erklärt er verbittert. »Früher habe ich mir nichts dabei gedacht, wenn jemand vom ,Einfallen der Nacht’ sprach. War ganz normal für mich. Jetzt weiß ich, was es wirklich heißt. Die Nächte fallen ein, Kommissar, so wie Menschen fallen. Und das macht so einen Krach da drin«, fügt er hinzu, wobei er sich mit dem Finger an die Schläfe tippt. »Ich schwör’s Ihnen, man hört einen deutlichen Widerhall …

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