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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sich von ihm auch einen Beitrag, doch Brunetti blieb stumm, neugierig zu erfahren, was der Pathologe Niccolini zu sagen hatte.
    Rizzardi stützte sich mit beiden Händen hinten am Geländer ab. »Ja, es gab Befunde, aber nichts davon steht im Widerspruch zu einem Herzversagen«, sagte Rizzardi. Brunetti entging nicht, dass der Pathologe sich in medizinischen Jargon flüchtete und den schwachen Fleck unerwähnt ließ. Dass Rizzardi den Abdruck für bedeutungslos hielt, schloss er aus: Dann hätte er sich nicht so nebulös ausgedrückt.
    Brunetti beobachtete, ob oder wie Niccolini auf diese nichtssagende Formulierung reagierte, aber der nickte nur. Rizzardi fuhr fort: »Wenn Sie wollen, kann ich versuchen, Ihnen genau zu erklären, was geschehen ist. Aus medizinischer Sicht, meine ich.« Der Pathologe hatte, wie Brunetti aus dessen leutseligem Lächeln schloss, keine Ahnung, was Niccolini von Beruf war, und konnte daher auch nicht wissen, wie der andere auf seine Herablassung reagieren würde.
    Niccolini bat mit sehr leiser Stimme: »Könnten Sie das mit den ›Befunden‹ etwas genauer ausführen?«
    Sein Ton, nicht seine Worte, ließ Rizzardi aufhorchen. [66]  »Es gab Hinweise auf ein Trauma«, sagte er. Aha, dachte Brunetti: Jetzt kommen wir zu den Druckstellen.
    Niccolini ließ das auf sich wirken und bemerkte schließlich bemüht sachlich: »Es gibt viele Arten von Traumata.«
    Brunetti meinte einschreiten zu müssen, bevor Rizzardi zu einer langwierigen Erklärung dieses Ausdrucks ansetzte und Niccolini noch mehr gegen sich aufbrachte. »Ich denke, du solltest wissen, dass Dottor Niccolini Tierarzt ist, Ettore.«
    Rizzardi schwieg überrascht, zeigte sich dann aber erfreut. »Ah, dann kann er mir ja folgen«, sagte er.
    Niccolini stöhnte laut auf. Eine Hand unwillkürlich zur Faust geballt, das Gesicht bleich vor Zorn, fuhr er zu dem Pathologen herum.
    Rizzardi trat vom Geländer weg und hob in instinktiver Abwehr beide Hände. »Dottore, Dottore, nichts für ungut, bitte.« Er musste seine beschwichtigende Geste noch mehrmals wiederholen, ehe der andere, offenbar selbst verblüfft von seinem Verhalten, die Faust sinken ließ. »Ich wollte damit nur sagen«, meinte Rizzardi, »dass Sie etwas von Physiologie verstehen. Das ist alles.« Und schon etwas ruhiger: »Bitte, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    War Niccolini so durcheinander, dass er Rizzardis Bemerkung als Abwertung der Tiermedizin aufgefasst hatte? Aber wie konnte man von ihm auch erwarten, in Gegenwart des Mannes, der die Obduktion durchgeführt hatte, einen klaren Kopf zu bewahren?
    Niccolini wurde rot, schloss die Augen und nickte mehrmals, dann sah er Rizzardi an und sagte: »Natürlich, Dottore. Ich habe Sie falsch verstanden. Das ist alles so ...«
    [67]  »Ich weiß. Es ist furchtbar. Ich habe schon viele dieser Situationen erlebt. So etwas ist niemals einfach.«
    Jetzt schwiegen sie wieder. Ein Beagle kam aus einem der Läden am Ende des campo, hob an einem Baum das Bein und trabte in den Laden zurück.
    Rizzardis Stimme veranlasste Brunetti, sich von dem Hund abzuwenden. »Ich kann nur wiederholen, Ihre Mutter ist an einem Herzversagen gestorben: Das steht außer Zweifel.« Brunetti hatte den Arzt schon so oft mit Angehörigen reden hören, dass er wusste, Rizzardi sagte die Wahrheit, doch er sah ihm auch an, dass er etwas verschwieg.
    Rizzardi fuhr fort: »Und um Ihre Frage zu beantworten: Ja, am Fundort gab es Blutspuren. Commissario Brunetti hat es auch gesehen.« Niccolini sah Brunetti fragend an. Brunetti nickte nur und wartete auf Rizzardis Erklärung. »Nicht weit von dort, wo Ihre Mutter gefunden wurde, stand ein Heizkörper. Alles spricht dafür, dass sie beim Sturz mit dem Kopf dagegengeschlagen ist. Wie Sie wissen, bluten Kopfwunden häufig sehr stark, da aber der Tod nach dem Herzversagen so schnell eingetreten ist, kann sie nicht lange geblutet haben, und auch dies entspricht dem, was wir vorgefunden haben.« Rizzardis Ausdrucksweise rückte mit jedem Satz näher an die Behördensprache schriftlicher Obduktionsberichte und Sitzungsprotokolle heran.
    Um Fassung ringend, hakte Niccolini noch einmal nach: »Aber gestorben ist sie an dem Herzversagen?« Brunetti fragte sich, wie oft er sich das noch anhören musste.
    »Ohne jeden Zweifel«, erklärte Rizzardi mit der ganzen Autorität einer Amtsperson, was bei Brunetti, dem bei den anfänglich so ausweichenden Auskünften des Pathologen [68]  schon leicht unbehaglich zumute

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