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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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dann komm' ich wieder. Vorher setze ich keinen Fuß mehr in dieses Haus. Wenn es Ihnen bessergeht, können Sie mich ja anrufen.«
    Er ging in die Veranda, setzte sich auf die Bank, stellte das Telefon neben sich und sah aufs Meer hinaus. Er konnte nichts anderes tun, lesen, denken, schreiben, nichts. Nur das Meer anschauen. Er begriff, daß er dabei war, im bodenlosen Brunnen einer Obsession zu versinken. Ein Film, den er einmal gesehen hatte und dem vielleicht ein Roman von Dürrenmatt als Vorlage gedient hatte, fiel ihm ein: Da wartete ein Kommissar beharrlich auf einen Mörder, der an einer bestimmten Stelle in den Bergen vorbeikommen mußte, jedoch nie mehr vorbeikommen würde, aber das wußte der Kommissar nicht, er wartete, wartete immer weiter, und inzwischen vergingen die Tage, die Monate, die Jahre...
    Gegen elf an diesem Vormittag klingelte das Telefon. Nach dem Gespräch mit dem Preside am Morgen hatte niemand mehr angerufen. Montalbano hob nicht ab, er war wie gelähmt. Er wußte mit absoluter Sicherheit – den Grund dafür konnte er sich nicht erklären –, wer am anderen Ende der Leitung war. Dann gab er sich einen Ruck und nahm den Hörer ab.
    » Pronto ? Commissario Montalbano?«
    Eine schöne, tiefe Stimme, wenn auch die eines alten Mannes. »Ja, ich bin's«, antwortete der Commissario und fügte – er konnte nicht anders – hinzu: »Endlich!«
    »Endlich«, sagte auch der andere.
    Sie schwiegen einen Augenblick und lauschten nur ihrem Atem.
    »Ich bin gerade in Punta Ràisi gelandet. Um dreizehn Uhr dreißig könnte ich spätestens bei Ihnen sein. Wenn Ihnen das paßt, erklären Sie mir bitte genau, wo ich Sie finde. Ich war schon lang nicht mehr im Dorf. Seit einundfünfzig Jahren.«

Fünfundzwanzig
    Er staubte ab, fegte, wischte im Zeitraffertempo eines komischen Stummfilms. Dann ging er ins Bad und wusch sich, wie er sich nur einmal in seinem Leben gewaschen hatte – vor seinem ersten Rendezvous, als er sechzehn war. Er duschte endlos, schnupperte unter den Achseln und an seinen Armen und besprühte sich vorsichtshalber noch mit Kölnisch Wasser. Er wußte, daß es lächerlich war, aber er wählte seinen besten Anzug und die seriöseste Krawatte und bürstete seine Schuhe, bis sie glänzten, als wären sie von innen beleuchtet. Dann begann er den Tisch zu decken, aber nur mit einem Gedeck, er hatte zwar jetzt einen Bärenhunger, wußte aber, daß er keinen Bissen runterbringen würde.
    Er wartete. Er wartete unendlich lang. Halb zwei war vorbei, und er fühlte sich hundeelend, als würde er ohnmächtig werden. Er goß sich ein halbes Glas Whisky pur ein und trank es auf einen Zug leer. Dann, endlich, die Erlösung: das Motorengeräusch eines Autos auf der Zufahrt. Er stürzte an die Tür und riß sie auf. Einem Taxi mit palermitanischem Nummernschild entstieg ein sehr gut gekleideter älterer Herr, in der einen Hand einen Stock, in der anderen ein Köfferchen. Er zahlte, und während das Taxi wendete, blickte er sich um. Er hielt sich gerade, den Kopf erhoben, und hatte etwas Gebieterisches an sich. Montalbano hatte sofort das Gefühl, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben. Er ging ihm entgegen.
    »Sind hier überall Häuser?« fragte der Alte.
    »Ja.«
    »Früher war hier gar nichts, nur Gebüsch und Sand und Meer.«
    Sie hatten sich nicht begrüßt, sie hatten sich nicht einander vorgestellt. Sie kannten sich.
    »Ich bin fast blind, ich sehe kaum etwas«, sagte der alte Mann, als er in der Veranda auf der Bank saß, »aber es scheint mir hier sehr schön zu sein, es ist so friedlich.«
    Jetzt wußte der Commissario, wo er den alten Mann schon mal gesehen hatte: Es war nicht wirklich er gewesen, aber sein perfekter Doppelgänger auf einem Foto in der Umschlagklappe eines Buches von Jörge Luis Borges.
    »Möchten Sie etwas essen?«
    Der Alte zögerte. »Sie sind sehr freundlich«, sagte er dann, »aber mir genügt ein kleiner Salat, ein Stückchen magerer Käse und ein Glas Wein.«
    »Kommen Sie mit rein, ich habe den Tisch schon gedeckt.«
    »Essen Sie mit?«
    Montalbanos Magen war wie zugeschnürt, außerdem war er merkwürdig ergriffen. Er log.
    »Ich habe schon gegessen.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, hier für mich zu decken?« Conzare, aufdecken. Rizzitano sprach dieses sizilianische Wort aus wie ein Fremder, der sich bemüht, Dialekt zu reden.
    »Ich begriff, daß Sie fast alles verstanden hatten«, sagte Rizzitano, während er langsam aß, »nachdem ich einen Artikel im

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