Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
hatte dich um nichts gebeten.«
»Na ja, nicht direkt. Aber ich bin ja nicht blöd, mir war schon klar, daß um die Geschichte möglichst viel Wirbel gemacht und sie so präsentiert werden sollte, daß sie die Leute mitreißt, das wolltest du doch. Ich habe Dinge gesagt, für die ich mich Zeit meines Lebens schämen werde.«
»Danke, auch wenn ich immer noch nicht weiß, wofür ich dir danken soll.«
»Weißt du, daß unsere Vermittlung mit Anrufen bombardiert wird? Die RAI, die Fininvest, die Ansa, alle italienischen Zeitungen wollen die Aufzeichnung haben. Du hast ganz schön auf den Putz gehauen. Darf ich dich was fragen?«
»Natürlich.«
»Wieviel hat dich die Miete des Flugzeugs gekostet?«
Er schlief wunderbar, so wie Götter schlafen, wenn sie mit ihrem Werk zufrieden sind. Er hatte sein Möglichstes und sogar Unmöglichstes getan, jetzt konnte er nur noch auf eine Antwort warten; die Botschaft war auf den Weg gebracht, jetzt mußte nur noch jemand den Code entschlüsseln, um es mit Alcide Maraventato zu sagen.
Der erste Anruf kam um sieben Uhr morgens. Es war Luciano Acquasanta vom »Mezzogiorno«, der sich in seiner Meinung bestätigt wissen wollte. Könnte es nicht sein, daß das junge Paar bei einem satanischen Ritus geopfert wurde?
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles offen.
Der zweite Anruf kam eine Viertelstunde später. Die Theorie von Stefania Quattrini von der Zeitschrift »Essere donna« bestand darin, daß Mario beim Liebesakt mit Lisetta – man kennt doch die Seeleute von einer anderen eifersüchtigen Frau erwischt wurde, die alle beide kaltgemacht hat. Dann floh sie ins Ausland, vertraute sich aber, kurz bevor sie starb, ihrer Tochter an, die wiederum ihrer Tochter die Schuld der Großmutter eingestand. Um das irgendwie wiedergutzumachen, kam das Mädchen nach Palermo – sie sprach doch mit ausländischem Akzent, nicht wahr? – und arrangierte die Geschichte mit dem Flugzeug.
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles offen.
Cosimo Zappalà von dem Wochenblatt »Vivere!« teilte ihm seine Hypothese um sieben Uhr fünfundzwanzig mit. Lisetta und Mario pflegten, trunken vor Liebe und jugendlichem Überschwang, nackt wie Adam und Eva und händchenhaltend spazierenzugehen. Eines schlimmen Tages liefen sie einer Abteilung deutscher Soldaten über den Weg, die sich im Rückzug befanden und ebenfalls trunken waren, vor Angst und Grausamkeit, und wurden vergewaltigt und erschossen. Kurz bevor er starb, vertraute sich einer der Deutschen... Und hier knüpfte die Geschichte merkwürdigerweise an die von Stefania Quattrini an.
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles offen.
Um acht stand Fazio vor der Tür und brachte ihm, wie ihm am Abend zuvor befohlen, alle Tageszeitungen, die in Vigàta zu bekommen waren. Während Montalbano weiter Telefonanrufe beantwortete, blätterte er sie durch. In allen spielte die Nachricht eine mehr oder weniger große Rolle. Am meisten amüsierte ihn die Schlagzeile des »Corriere«. Da hieß es: Kommissar identifiziert Hund aus Terracotta, der vor fünfzig Jahren starb. Aus allem ließ sich etwas machen, auch aus der Ironie.
Adelina wunderte sich, daß der Commissario zu Hause war, was sonst nie vorkam.
»Adelina, ich werde ein paar Tage daheim bleiben, ich erwarte nämlich einen wichtigen Anruf, und du mußt mir mein Einsiedlerdasein bitte möglichst angenehm gestalten.«
»Ich versteh' nicht, was Sie da sagen.«
Montalbano erklärte ihr, daß es ihre Aufgabe sei, ihm seinen freiwilligen Gefängnisaufenthalt mit einer Extraportion an Phantasie bei der Zubereitung von Mittag- und Abendessen zu erleichtern.
Gegen zehn rief Livia an.
»Was ist denn bei dir los? Das Telefon ist dauernd besetzt!«
»Tut mir leid, ich kriege jede Menge Anrufe wegen einer Sache, die...«
»Ich weiß, worum es geht. Ich habe dich im Fernsehen gesehen. Du warst unbefangen und schlagfertig, ganz anders als sonst. Anscheinend geht's dir besser, wenn ich nicht da bin.«
Er rief Fazio im Büro an und bat ihn, ihm die Post nach Hause zu bringen und eine Verlängerungsschnur für das Telefon zu kaufen. Die Post, fügte er hinzu, müsse ihm täglich gebracht werden, sobald sie angekommen sei. Und das solle er den anderen sagen: Wenn jemand nach ihm frage, müsse dieser Person in der Vermittlung ohne langes Getue seine Privatnummer gegeben werden. Es verging keine Stunde, da kam Fazio auch schon mit zwei bedeutungslosen Postkarten
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